Rumänien:Ohne Vertrauen

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Rumäniens bisheriger Finanzminister Florin Cîțu, hier bei einem Treffen in Bukarest 2019, soll jetzt die Regierung führen. (Foto: Octav Ganea/Reuters)

Eine Mitte-rechts-Koalition soll das Land führen. Die seit Jahren schwelende Regierungskrise wird das wohl nicht beenden. Das Misstrauen der Bevölkerung gegen die Politik zeigte sich in einer katastrophalen Wahlbeteiligung.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Rumänien bekommt eine neue Regierung, die in Teilen die alte ist. Obwohl bei der Parlamentswahl Anfang Dezember die Sozialdemokraten mit knapp 30 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden waren, beauftragte Staatspräsident Klaus Johannis die bisher regierende Nationalliberale Partei PNL, deren Vorsitzender er früher selbst kurze Zeit gewesen war, mit der Regierungsbildung. Designierter Premier ist der amtierende Finanzminister Florin Cîțu. Er will nun mit zwei kleineren Gruppierungen, dem ökoliberalen Reformbündnis USR-PLUS und dem Ungarnverband (UMDR), koalieren. Der bisherige Premier Ludovic Orban hatte nach der Wahl seinen Rücktritt angekündigt und wäre gern wieder Premierminister in der neuen Mitte-rechts-Koalition geworden, konnte sich aber nicht durchsetzen. Cîțu gilt als anerkannter Finanzexperte und sachorientierter Politiker.

Die Parlamentswahl vom 6. Dezember hatte für einige Überraschungen gesorgt. So gaben nur etwa ein Drittel der Wahlberechtigten überhaupt ihre Stimme ab. Zudem schaffte es eine neue nationalistische Partei mit dem Namen "Bündnis für die Vereinigung der Rumänen" mit knapp zehn Prozentpunkten ins Parlament; sie wirbt für den Zusammenschluss mit der benachbarten Republik Moldau, ist europakritisch und vertritt rechtskonservative, christliche Positionen.

Die Sozialdemokraten (PSD) hatten noch vor vier Jahren die absolute Mehrheit gewonnen. Sie waren aber wegen zahlreicher Korruptionsskandale und umstrittener Gesetze, die unter anderem die Strafen für Amtsmissbrauch reduzieren sollten, sowie nach Massenprotesten gegen die Entlassung der Chefin der rumänischen Antikorruptionsbehörde, Laura Kövesi, per Misstrauensvotum 2019 abgewählt worden. Kövesi ist mittlerweile EU-Generalstaatsanwältin. Die PSD, Nachfolgepartei der rumänischen KP, hat den Ruf, notorisch korrupt sowie zugleich linkspopulistisch und nationalistisch zu sein. Sie verlor bei der jüngsten Parlamentswahl zwar massiv an Stimmen, wurde aber dennoch, entgegen den Umfragen, stärkste Partei.

Staatspräsident Johannis wollte verhindern, dass die PDS die Regierung anführen kann. Er hatte schon direkt nach der Wahl gesagt, er strebe eine rechtsliberale Regierung an; er hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder gegen die Angriffe der PSD auf den Rechtsstaat verwahrt und sich auf die Seite von Demonstranten gestellt. Rumänien belegt im Korruptionsindex von Transparency International den 70. Platz - und liegt damit in der EU auf einem der hinteren Plätze.

Die Bevölkerung hat in großen Teilen schon resigniert

Die besonders niedrige Wahlbeteiligung interpretieren Experten vor allem als Misstrauensvotum einer resignierten Bevölkerung gegen die rumänische Politik. Die Deutsche Welle schrieb, das Establishment habe seit der Wende durch Korruption und Günstlingswirtschaft "das Vertrauen der Bürger in den Staat und seine Institutionen zersetzt". Der sozialdemokratische Ex-Premier, der die Korruptionsgesetzgebung zum eigenen Vorteil entschärfen wollte, sitzt im Gefängnis. Bei Massenprotesten ging die Polizei mit Gewalt gegen die Demonstranten vor.

Die liberale PNL, die zuletzt die Regierung anführte und dies nun wieder tun soll, war nur drei Monate im Amt gewesen, bevor sie ihrerseits durch ein Misstrauensvotum im Februar 2020 gestürzt wurde, das die Sozialisten maßgeblich vorangetrieben hatten. Damit setzt sich die seit Jahren schwelende Regierungskrise im Land fort.

Der jetzt designierte Premierminister und Wirtschaftswissenschaftler Florin Cîțu, der in den USA studiert und promoviert hat, hat internationale Erfahrung und Renomee: Er hat bei der Reserve Bank of New Zealand und der Europäischen Investitionsbank gearbeitet und stieg dann in Bukarest bei der ING-Bank zum Leiter der Finanzabteilung auf. Präsident Johannis hatte Cîțu bereits einmal mit der Regierungsbildung beauftragt - nach dem Sturz der letzten, liberal geführten Regierung vor neun Monaten. Cîțu sagte kurz vor der entscheidenden Parlamentssitzung ab. Nun soll er eine neue Chance bekommen.

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