Rumänien:Ein Land als Geisel

Im größten EU-Land Südosteuropas zieht ein verurteilter Wahlfälscher die strippen. Das ist unerträglich.

Von Florian Hassel

Rumäniens Ministerpräsident Sorin Grindeanu, der nun von seiner eigenen Partei gestürzt wurde, war kein Musterdemokrat: Immerhin beschloss seine Regierung einen skandalösen Nacht-und-Nebel-Erlass, der viele Mitglieder der notorisch korrupten Postkommunisten vor Strafverfolgung sichern sollte. Nur der Protest Hunderttausender Bürger brachte Grindeanu zum Rückzug. Es ist nicht schade um ihn und seine Regierung.

Doch sein Sturz wurde von einem Mann organisiert, der rechtskräftig wegen Wahlfälschung verurteilt ist und in einer reifen Demokratie keine Rolle mehr spielen dürfte: Liviu Dragnea, Parlamentspräsident, Parteichef der Postkommunisten und mächtigster Mann Rumäniens. Dragnea hat eine laufende Bewährungsstrafe und einen weiteren Prozess am Hals, der ihn ins Gefängnis bringen könnte. Dieser Prozess wegen Amtsmissbrauchs schleppt sich seit fast einem Jahr dahin. Bevor die Richter ein rechtskräftiges Urteil fällen, dürften weitere Jahre vergehen. Denn gerade bei Prozessen gegen mächtige Politiker arbeiten die Gerichte in Bukarest auffallend langsam.

In der Zwischenzeit hat jede rumänische Regierung von Dragneas Gnaden nur eine Aufgabe: Regelungen durchzusetzen, die ihn vor einer möglichen Haftstrafe bewahren. Das größte EU-Land Südosteuropas bleibt die politische Geisel eines verurteilten Wahlfälschers.

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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