Rumänien:Bollwerk gegen die Stärksten

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Siegesgewiss: Rumäniens nationalliberaler Premier Ludovic Orban (Mitte) ist überzeugt, dass er Premier bleibt. Seine Partei ist zwar nur zweitstärkste Kraft geworden, er glaubt aber, gleich mehrere mögliche Koalitionspartner zu haben. (Foto: Daniel Mihailescu/AFP)

Die oppositionellen Sozialdemokraten haben die Parlamentswahl gewonnen, Premier Ludovic Orban tritt zurück. Dennoch könnte seine nationalliberale PNL die künftige Regierung anführen.

Von Tobias Zick, München

Bei der Parlamentswahl in Rumänien hat die größte Oppositionspartei die deutliche Mehrheit der Stimmen erzielt. Doch ob dies zu einem Machtwechsel führt, bleibt fraglich. Die nationalliberale PNL von Regierungschef Ludovic Orban kommt den Zwischenergebnissen vom Montag zufolge auf etwa 26 Prozent, das sind vier Prozent weniger als die sozialdemokratische PSD. Orban erklärte am Abend seinen Rücktritt, "ich klammere mich an kein Amt" sagte er. Als Parteivorsitzender wolle er jedoch an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen. Zuvor hatte er noch selbstbewusst erklärt, die Gespräche unter seiner Führung könnten sofort beginnen und würden voraussichtlich auch nicht lange dauern. Er habe schließlich genügend mögliche Partner zur Auswahl.

Dass er die PSD nicht dazu zählte, stellte er von vornherein klar: "Wir werden nicht zulassen, dass die PSD Rumänien schadet", sagte Orban. PSD-Vorsitzender Marcel Ciolacu hatte seinerseits schon am Sonntagabend ausgeschlossen, ein Bündnis mit Orbans PNL einzugehen, und stattdessen frohlockt: "Rumänien tritt in eine neue Phase ein." Mit ihrem Votum hätten die Bürger gezeigt, "dass ein Wechsel nötig ist."

Präsident Klaus Johannis, der der PNL nahesteht, hatte bereits vor der Wahl seine Abneigung gegen die postkommunistische PSD offen ausgedrückt: Er hoffe, dass Rumänien sich endgültig von jenen trennen wird, die versucht haben, es von seinem europäischen und demokratischen Kurs abzubringen", sagte Präsident Johannis. Das Land müsse ein "zuverlässiges Mitglied von EU und Nato" bleiben.

Regierungschef Ludovic Orban wurde wegen seiner Corona-Politik kritisiert. Spötter nannten ihn "Lucovid".

Die PSD hatte auch bei der Parlamentswahl 2016 eine Mehrheit der Stimmen erzielt und daraufhin eine Regierung gebildet. Der Parteivorsitzende Liviu Dragnea, der zuvor wegen Korruption zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden war, wurde Parlamentspräsident und trieb eine Justizreform voran, die den Kampf gegen Korruption weiter erschweren sollte. Im Mai 2019 musste er wegen Amtsmissbrauchs ins Gefängnis, Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă übernahm den Parteivorsitz. Im Oktober vorigen Jahres stürzte eine knappe Parlamentsmehrheit die PSD-Regierung per Misstrauensvotum - und der damalige Oppositionsführer Ludovic Orban jubelte: "Der Albtraum, durch den Rumänien in den letzten drei Jahren gegangen ist, ist beendet."

Nachdem Präsident Johannis ihn mit der Bildung einer kommissarischen Regierung beauftragt hatte, versprach er, Korruption zu bekämpfen und den Rechtsstaat zu stärken - mit bislang mäßigen Erfolgen. Viele Sympathien büßte die PNL zudem durch ihre mangelhafte Bekämpfung der Corona-Pandemie ein - Spötter nennen den Premier seither "Lucovid".

Vermutlich gibt es ein Bündnis mit den Liberal-Konservativen

Vom wachsenden Frust in der Bevölkerung konnte unterdessen eine rechtspopulistische Partei profitieren, die "Allianz für die Einheit der Rumänen" (AUR), die sich als Vertreterin aller rumänisch-sprachigen Menschen in Südosteuropa geriert und etwa eine Vereinigung Rumäniens mit der Republik Moldau anstrebt. Mit rund neun Prozent erhielt die rechtsextreme Partei, die erst 2019 gegründet worden war, weitaus mehr Stimmen als prognostiziert. Deren Vorsitzender George Simion erklärte nach der Wahl, er stehe für keine Koalition zur Verfügung, schließlich seien "alle Parteien gleich".

Als wahrscheinlichster Koalitionspartner für eine PNL-geführte Regierung gilt das liberal-konservative Bündnis USR-Plus, das der ehemalige EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos gegründet hat - und das nun mit dem Versprechen, "ehrlich und professionell zu sein und sich in den Dienst der Bürger zu stellen", auf 16 Prozent der Stimmen kam. Dafür, dass ein solches Bündnis zustande kommen könnte, sprechen nicht nur inhaltliche Übereinstimmungen und die jüngsten Ankündigungen von Ciolos, seine Partei und die PNL könnten als "gleichwertige Partner" die staatlichen Institutionen "entpolitisieren" und die Korruption ausmerzen: Auch Staatspräsident Johannis hat vor der Wahl seine Sympathie für ein solches Bündnis kundgetan. PNL und USR-Plus "werden zusammen regieren", sagte er.

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