Rücktritt Kurt Becks:Vollblutpolitiker mit Schleifspuren

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Kurt Beck war und ist ein Bauchpolitiker. Er hat sich nicht geschont, als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz viel verändert und bewegt. Aber es gab auch hässliche Geschichten und die Affäre um den Nürburgring drohte sein Lebenswerk aufzufressen. Am Ende war sein Amt für Beck vor allem eine große Last.

Marc Widmann, Mainz

Jetzt ist es raus, und man darf annehmen, dass es eine Erleichterung ist für Kurt Beck. Er ist ja ein sogenannter Vollblutpolitiker, sein Leben bestand in den vergangenen 18 Jahren praktisch nur aus Politik, man kann ihn sich kaum ohne Amt vorstellen, ohne roten Kopf, wenn er sich über die Rentenpolitik echauffiert. Aber die vergangenen Monate müssen selbst für diesen Homo politicus eine Qual gewesen sein. Zu viel ist schiefgegangen, zu persönlich waren die Angriffe, zu einsam ist es um ihn geworden.

Kurt Beck hat Rheinland-Pfalz verändert, er hat viel bewegt, das wird man mit einigem Abstand wieder klarer erkennen. Doch zuletzt ging es nur noch um seine Fehler. Um seinen größten Fehler vor allem, den er vor Jahren beging, als er am Nürburgring aus Steuergeld einen gigantischen Freizeitpark betonieren ließ, den keiner brauchte. Und den er in den vergangenen Jahren fortsetzte, indem er das Projekt immer wieder lobte und schönredete. Vielleicht nicht wider besseren Wissens, aber auf jeden Fall wider der Erfahrung fast aller, die das Projekt mal mit eigenen Augen gesehen haben. Dieser Fehler, der die Steuerzahler am Ende mehr als 300 Millionen Euro kosten kann, drohte sein Lebenswerk aufzufressen.

Seine Gegner haben sich seit Monaten auf ihn eingeschossen, es war eine herrliche Vorlage für sie, und so wenig sie die Regierung rechtzeitig bremsten, umso heftiger langten sie nun zu. Für die CDU (die in Mainz selbst von genügend Affären gebeutelt war) gab es nichts Schöneres, als Beck vor sich herzutreiben, ein "System Beck" anzuprangern, das angeblich aus Vetternwirtschaft und Vertuschung besteht. Und die politische Arbeit der aus dem Landtag gewählten FDP bestand zuletzt im Versenden von feurigen Rücktrittsforderungen. Der Ton in Mainz war so eisig geworden wie nie, und Beck ist keinesfalls so dickhäutig, wie er auf Außenstehende wirkt.

Natürlich hat sich einiges angesammelt an Affärchen und handfesten Skandalen, das ist gewissermaßen ein Naturgesetz nach 18 Jahren an der Regierung. Natürlich hat Becks SPD viele Posten mit ihren Leuten besetzt, genauso wie es die CDU auch macht, wo sie lange regiert. Hässliche Geschichten sind das, aber sie verdecken, dass Kurt Beck kein Politiker ist, dem es um den eigenen Vorteil geht.

Kurt Beck hat als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident viel bewegt - das wird man mit einigem Abstand wieder klarer erkennen. (Foto: REUTERS)

Er war und ist ein Bauchpolitiker, der sich bei den normalen Menschen am wohlsten fühlt, der bis heute auf Terminen froh ist um jeden Handwerker am Wegesrand, mit dem er kurz plaudern kann. Für diese Menschen will er Politik machen, deren Sorgen lösen, und zuletzt trieb ihn die Frage um, wie er sein Land auf den demografischen Wandel vorbereiten kann. Pralle Schlagzeilen bringt ihm das nicht, dennoch stürzt er sich in diese Themen.

Beck hat sich im Amt nicht geschont

Er hat sich nicht geschont in den 18 Jahren im Amt, er hat auch nicht sehr gesund gelebt, zuletzt wurden die Schleifspuren des Betriebs unübersehbar. Man erzählt sich von Terminen, bei denen er sich setzen musste, weil er nicht mehr konnte. Dazu kam etwas, das ihn trifft wie nichts anderes: Stiche aus den eigenen Reihen.

Seitdem er 2008 als SPD-Bundesvorsitzender zurücktrat und vor den Intrigen in seiner eigenen Partei flüchtete, ist er ein ausgesprochen misstrauischer Mensch geworden. In Rheinland-Pfalz fühlte er sich sicher, doch je tiefer die Abendsonne auf ihm stand, desto mehr bröckelte auch hier die Loyalität seiner Genossen. Es wurde gedrängelt. Im März musste Beck auf einmal in der Zeitung lesen, dass er vertrauliche Gespräche über seine Nachfolge angestoßen hatte. Das stimmte, aber es wusste nur eine Handvoll Personen davon. Nicht mal denen konnte er jetzt mehr trauen. Es wurde noch einsamer um ihn.

Kurt Becks Sohn Stefan ist Anwalt, wer ihn kürzlich bei einem kleinen Prozess in Landau erlebte, der sah einen lebensfrohen, quietschvergnügten Mann mit exakt derselben Frisur wie sein Vater. Beck junior scherzte in den Prozesspausen mit den Reportern, seine Fröhlichkeit war fast schon anstrengend. Wer ihn sieht und dann wieder seinen Vater, der erkennt, was 18 Jahre in der Politik mit einem Menschen anstellen können.

Wahrscheinlich stimmt es, was viele sagen: dass er besser schon vor einiger Zeit aufgehört hätte. Bald muss Beck sein Leben mit Neuem füllen, es wird keine leichte Aufgabe nach 18 Jahren, in denen eine Staatskanzlei sein Leben organisierte. Er hat immer schon gesagt, dass er sich im Tierschutz engagieren will, ehrenamtlich. Es ist unvorstellbar, dass er bald in Putins Diensten für eine Pipeline wirbt. Es ist aber gut vorstellbar, dass er bald wieder glücklicher aussieht.

© SZ vom 29.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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