Robert Habeck:Eine Verwechslung und zwei Vorschläge

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Erst offenbart der Grünen-Chef eine peinliche Wissenslücke, dann fordert er die Union im Betrugsskandal um Wirecard mit Ideen heraus. Unter anderem sollen Wirtschafts­prüfer künftig von Dritten beauftragt werden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Beim Thema Steuern und Finanzen kann es für Politiker schon mal zu kompliziert werden. Angela Merkel (CDU) sorgte 2005 als Kanzlerkandidatin für Irritationen, als sie Brutto- mit Nettolohn verwechselte. Der frühere Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) kam einst durcheinander mit den Nullen einer Billion. Neun? Zwölf? Nun hat es Grünen-Co-Chef Robert Habeck erwischt. Der mögliche Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021 verwechselte mal eben die staatliche Finanzaufsicht Bafin mit dem Finanzamt. Die Bafin sei "vielleicht gut darin, mittelständischen Unternehmen nachzuweisen, dass Handwerkerrechnungen falsch eingebucht wurden. Aber sie ist schlecht darin, internationale Finanzakteure zu kontrollieren", sagte Habeck dem Onlineportal T-online. Die Verfehlung fiel auf. Unter dem Stichwort "Kompetenzvakuum" twitterte der Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer (CDU), "man staunt über das Ausmaß der Ahnungslosigkeit".

Die Bafin ist zwar nicht das Finanzamt, doch beim Thema Steuerberater trifft er den Punkt

In Sachen Kompetenz macht Hauer niemand so schnell was vor. Der Abgeordnete ist Fachanwalt für Bank- und Finanzmarktrecht und sitzt im Finanzausschuss des Bundestags; für ihn gehört die Bafin zum Alltag wie der Knopf zur Jacke. Umso erstaunlicher ist, dass sich Hauer auf den Fauxpas konzentriert - und nicht auf die Reformvorschläge, die Habeck nach seinem Trip ins finanzpolitische Dickicht vorlegt. Denn mit diesen Vorschlägen schafft Habeck einen Sicherheitsabstand zur Union, der selbst in Corona-Zeiten weitaus größer als die angesagte Distanz ausfällt.

Damit sich Betrugsskandale wie der bei Wirecard nicht wiederholen, will Habeck, dass Steuerberater künftig nicht nur ausländische, sondern auch inländische Steuersparmodelle melden müssen. Damit soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige gesetzliche Unklarheiten nutzen, um sich Vorteile zu verschaffen. Banken hatten solche Unklarheiten einst genutzt, um sich die Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten zu lassen, der Skandal wurde unter dem Namen Cum Ex bekannt. Und, zweitens, sollen Wirtschaftsprüfer künftig von Dritten beauftragt werden, um die Bilanz eines Konzerns zu prüfen. Sie sollen alle fünf Jahre wechseln und aus einem Geldtopf finanziert werden, in den alle einschlägigen Gesellschaften zuvor einzahlen. Mit diesen Regeln würde ein heftig umstrittener Interessenkonflikt beseitigt: Bisher beauftragt und zahlt das Unternehmen, dessen Bücher geprüft werden, die Prüfer.

Wird die Union auf die Grünen zugehen? "Vorschläge aus dem politischen Raum, wie in diesem Fall von Herrn Habeck", kommentiere Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wie üblich nicht, sagt seine Sprecherin. Altmaier bleibt in dem Betrugsskandal bislang vage, obwohl fehlerhafte Bilanzzertifikate der Wirtschaftsprüfer zum Skandal beigetragen haben. Er werde "konstruktiv" daran mitarbeiten, "die notwendigen Konsequenzen zu ziehen", sagte er nach der Sondersitzung des Finanzausschusses am vergangenen Mittwoch. Sein Ministerium weist darauf hin, dass die Idee, Abschlussprüfer durch Dritte beauftragen und über einen Fonds bezahlen zu lassen, im Justizministerium geprüft werden müsse.

Auch Sebastian Brehm (CSU), der wie Hauer im Finanzausschuss sitzt, will abwarten. "Jetzt voreilige Schlüsse zu ziehen, halte ich für falsch, da noch gar nicht feststeht, an welchem Punkt welche Fehler gemacht wurden", sagt Brehm. Mit der Meldepflicht für ausländische Steuersparmodelle müsse es nicht schnell gehen, sagt Brehm. Er will den Start auf den 1. Oktober 2020 verschieben. Und für inländische Steuersparmodelle? Brehm schweigt dazu. Brehm ist, wie zahlreiche weitere Unionsabgeordnete, vom Fach. Er ist Steuerberater, führt eine Kanzlei und ist an zwei weiteren beteiligt. Man habe über die Meldepflicht im Finanzausschuss debattiert, sagt Linkenfraktionsvize Fabio De Masi. Ohne Ergebnis: Union, FDP und AfD seien dagegen, Linke und Grüne dafür. Die SPD eigentlich auch, aber die habe der Koalitionspartner Union gestoppt.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte angekündigt, die Meldepflicht für ausländische und inländische Steuersparmodelle einführen zu wollen. "Wenn sich der Steuerberater ein schickes Steuersparmodell für seine Kunden ausgedacht hat, soll er uns das auch erzählen. Wenn er Pech hat, sagen wir dann, das ist keine gute Idee, und ändern die Gesetze", sagte er. Das betreffe "nicht Otto Normalverbraucher, sondern nur große Unternehmen und sehr reiche Steuerbürger" und könnte helfen, etwa Umsatzsteuerbetrug beim Internethandel zu entdecken. Scholz' Vorschlag für eine Anzeigepflicht wurde Regierungskreisen zufolge dann von den unionsgeführten Bundesländern kassiert, er schaffte es nicht einmal bis ins Bundeskabinett. Angesichts des Wirecard-Skandals stellt sich nun die Frage, wer sich zuerst bewegt.

© SZ vom 04.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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