Pandemie:RKI setzt die Politik unter Druck

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Ein Vorstoß des RKI (im Bild Behördenchef Wieler, links) verärgerte Gesundheitsminister Lauterbach (rechts) und Kanzler Scholz. (Foto: Chris Emil Janssen via www.imago-images.de/imago images/Chris Emil Janßen)

Das Robert-Koch-Institut fordert flächendeckende Kontaktbeschränkungen, und zwar sofort. Bundeskanzler Scholz und Gesundheitsminister Lauterbach reagieren verärgert.

Von Nico Fried und Cerstin Gammelin, Berlin

Bund und Länder haben sich auf weitere Verschärfungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verständigt. So gelten spätestens vom 28. Dezember an zusätzliche Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene. Außerdem dürfen Großveranstaltungen, zum Beispiel Begegnungen der Fußball-Bundesliga, nur noch ohne Zuschauer stattfinden. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete nach einer Konferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder als neues Ziel der Impf-Kampagne die Verabreichung von weiteren 30 Millionen Booster-Impfungen bis Ende Januar 2022.

Trotz der Beschlüsse stehen Bund und Länder wegen der zu erwartenden fünften Welle, die durch die Omikron-Variante des Coronavirus verursacht wird, unter Druck. Kurz vor der Konferenz von Scholz und den Ministerpräsidenten der Länder (MPK) am Dienstagnachmittag forderte das Robert-Koch-Institut weitere Verschärfungen, die sofort umgesetzt werden sollten. Aus "fachlicher Sicht" empfahl die Seuchenbehörde unter anderem die sofortige Schließung von Restaurants und die Verlängerung der Weihnachtsferien für Kitas und Schulen.

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Der unabgestimmte Vorstoß des RKI, das dem Gesundheitsministerium untersteht, sorgte sowohl bei Scholz wie bei Ressortchef Karl Lauterbach für Unmut. Scholz verwies darauf, dass der neu eingesetzte Expertenrat der Bundesregierung, in dem auch das RKI vertreten ist, am Sonntag einstimmig Vorschläge für zusätzliche Maßnahmen beschlossen habe. Danach sei man innerhalb von nur zwei Tagen zu einem Konsens zwischen Bund und Ländern gekommen. Lauterbach wurde aus der Sitzung mit den Worten zitiert, dass der Vorstoß des RKI nicht mit ihm abgestimmt gewesen sei. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz und Landeschef von NRW, Hendrik Wüst (CDU), kritisierte die Informationslage des Bundes mit Blick auf die Widersprüche zwischen Expertenrat und RKI am Dienstag als "chaotisch".

Scholz sagte mit Blick auf die Entwicklung der Pandemie, man befinde sich in einer "seltsamen Zwischenzeit". Einerseits wirkten die Maßnahmen, die im November beschlossen wurden. Die Inzidenzen gingen zurück, auch die Belegung der Intensivstationen, wenn auch in geringem Maße. Wir bekommen die vierte Welle "langsam in den Griff", sagte Scholz. Andererseits müsse man damit rechnen, dass die Omikron-Variante "noch aggressiver" sei und den Impfschutz "teilweise unterlaufen" könne. Nur Booster-Impfungen böten "einigermaßen Schutz" gegen Infektion.

Bund und Länder einigten sich am Dienstag darauf, dass private Zusammenkünfte unter Geimpften und Genesenen vor allem mit Blick auf Silvester nur noch mit maximal zehn Personen erlaubt sind. Ist auch nur eine ungeimpfte Person anwesend, verringert sich die maximal zulässige Teilnehmerzahl auf vier. Kinder bis 14 Jahre sind ausgenommen. Man habe "bewusst entschieden", die nächsten Maßnahmen erst nach Weihnachten anlaufen zu lassen, sagte der Kanzler nach der Konferenz mit den Länderchefs. Festtage wie Weihnachten und Ostern hätten sich nicht als große Pandemietreiber erwiesen.

Weiter beschloss die Runde, dass Clubs und Diskotheken schließen müssen, überregionale Sport-, Kultur- und vergleichbare Großveranstaltungen ohne Zuschauer stattfinden. Sachsen und Baden-Württemberg gaben Protokollerklärungen ab, wonach die beiden Landesregierungen die Beschlüsse nicht für ausreichend halten. "Sie gewährleisten keine ausreichende Handlungsfähigkeit, um schnell auf eine sich zuspitzende Lage, wie sie der wissenschaftliche Expertenrat in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2021 prognostiziert, reagieren zu können", heißt es in der Erklärung.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow erwartet unterdessen nach der Zulassung des Impfstoffs des Herstellers Novavax einen deutlichen Anstieg bei den Erstimpfungen in den östlichen Bundesländern. Die Zulassung des Präparats sei "eine deutliche Ansage an die Spaziergänger", sagte der Linken-Politiker, der auch Bundesratspräsident ist, der Süddeutschen Zeitung. "Sie haben bekommen, was sie wollten, nämlich einen sogenannten Totimpfstoff, der anders wirkt als die bisher verwendeten Impfstoffe."

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