Ringen um UN-Resolution für Syrien:Russland wirft Westen Erpressung vor

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Schwarzer Rauch über Damaskus: Der Bürgerkrieg tobt nun auch in der syrischen Hauptstadt. Noch vor dem Eintreffen des UN-Sonderbeauftragten Annan in Moskau macht Russlands Außenminister Lawrow dem Westen schwere Vorwürfe.

Während die UN-Beobachter den Angriff auf die syrische Ortschaft Tremseh untersuchen, haben sich die Gefechte zwischen Regierungstruppen und Aufständischen in Damaskus offenbar zugespitzt. In mehreren Vierteln der syrischen Hauptstadt sei es am Sonntag zu Kämpfen gekommen, teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Sechs Menschen sollen getötet worden sein, unter ihnen ein Kind.

Das Machtzentrum von Assad war bislang weitgehend von Kämpfen verschont geblieben. Nun berichteten die örtlichen Koordinierungs-Komitees der Aufständischen von lauten Explosionen und dichtem schwarzen Rauch über der Stadt.

Die Armee feuere Granaten auf Stadtteile, in denen sich Kämpfer der aus Deserteuren zusammengesetzten Freien Syrischen Armee verschanzt hatten. Besonders heftig waren die Kämpfe demnach in den Vierteln Tadamon, Kafar Susse, Nar Aischa und Sidi Kadad.

"Die Revolution breitet sich aus und zieht die Schlinge um das Regime enger", sagte der Sprecher des oppositionellen Syrischen Nationalrats in einer über arabische Satelliten-Sender verbreiteten Stellungnahme. Er warf der syrischen Armee vor, Gegenden der Hauptstadt in ein "Schlachtfeld" verwandelt zu haben.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden allein am Sonntag in Syrien 105 Menschen getötet - 48 Zivilisten, 16 Rebellen und 41 Soldaten. Die Beobachtungsstelle beziffert die Gesamtzahl der Toten seit dem Beginn des bewaffneten Aufstandes im März 2011 auf mehr als 17.000.

UN-Beobachter: Sturm auf Tremseh galt Regierungsgegnern

International für Empörung gesorgt hatte zuletzt der Angriff der syrischen Armee auf die zentralsyrische Ortschaft Tremseh, bei dem laut Menschenrechtsaktivisten mehr als 150 Menschen getötet wurden. Die UN-Beobachter im Land widersprachen jedoch der Darstellung der syrischen Opposition, bei dem Angriff habe es sich um ein gezieltes Massaker an Zivilisten gehandelt.

"Die Attacke richtete sich offenbar gegen bestimmte Gruppen und Gebäude vor allem von Armee-Deserteuren und Aktivisten", teilten die UN-Mitarbeiter nach einer ersten Untersuchung in Tremseh mit.

Zuvor hatte ein Sprecher des syrischen Außenministeriums bestritten, dass der Angriff Zivilisten gegolten habe. Auch entbehre "was über den Gebrauch von schweren Waffen gesagt wurde" jeder Grundlage.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete das Blutbad von Tremseh dennoch als "versuchten Völkermord", wie türkische Medien berichteten. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warf dem Assad-Regime vor, einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu führen. Jetzt müsse der UN-Sicherheitsrat dem Regime endlich seine Grenzen aufzeigen, sagte er der Bild am Sonntag.

Demonstranten und Soldaten liefern sich am Sonntag Kämpfe im Stadtteil Tadamon in Damaskus. (Foto: REUTERS)

Im Bemühen um ein geschlossenes Auftreten der internationalen Gemeinschaft reist UN-Generalsekretär Ban Ki Moon heute nach China, während der Sonderbeauftragte Kofi Annan sich zu Gesprächen mit der russischen Führung nach Moskau begibt. Am Veto Russlands und Chinas waren bisher zwei UN-Resolutionen zu Syrien gescheitert, mit denen der Westen den Druck auf Syriens Staatschef Assad erhöhen wollte.

Moskau warnt Westen vor "gefährlicher Vorgehensweise"

Im Vorfeld machte Moskau dem Westen schwere Vorwürfe: "Zu unserem großen Bedauern stellen wir Elemente von Erpressung fest", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow vor dem Eintreffen Annans. Der Westen habe Russland damit gedroht, eine Verlängerung des Mandats für die UN-Beobachtermission in Syrien zu verweigern, sollte Russland eine UN-Resolution mit der Androhung von Sanktionen nicht unterstützen. Dies sei eine "gefährliche Vorgehensweise".

Zugleich wies Lawrow Hoffnungen als unrealistisch zurück, Russland könne den syrischen Staatschef Baschar al-Assad von einem Rücktritt überzeugen. "Es ist einfach unrealistisch, er wird nicht zurücktreten", sagte Lawrow. Dies sei nicht darauf zurückzuführen, dass Russland Assad schütze, sondern weil dieser "einen erheblichen Teil der syrischen Bevölkerung hinter sich" wisse.

China sieht die Bemühungen zur Lösung des Konflikts in Syrien an einem kritischen Punkt angelangt. Vor dem Besuch von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Peking verurteilte der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Liu Weimin, das jüngste Massaker. Die Vorfälle sollten untersucht und die Verantwortlichen bestraft werden. "Es gibt jetzt eine kritische Phase zur Lösung des Syrien-Problems mit politischen Mitteln." China appelliere an alle Beteiligten, die Gewalt zu stoppen.

© AFP/dpa/dapd/Reuters/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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