Reparationen:Altes Grauen

Griechenland braucht deutsche Hilfe. Das ist wichtiger als lange Prozesse um Kriegsentschädigungen.

Von Christiane Schlötzer

In wenigen Wochen jährt sich das Massaker im griechischen Distomo zum 75. Mal. Im Juni 1944 wurden in dem kleinen Ort, nicht weit vom antiken Delphi, 218 Menschen von einer SS-Einheit ermordet, auch Kinder. Nachfahren der Opfer sind bis vor die höchsten Gerichte gezogen, den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Am Ende haben sie alle Entschädigungsprozesse verloren, weil das Völkerrecht Privatpersonen hier keine Klagemöglichkeit gibt. Aber die lange Prozessserie hat bewirkt, dass das Grauen der Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg, für das Distomo seitdem steht, einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bewusst geworden ist.

Auch die nun von der griechischen Regierung erhobenen generellen Reparationsforderungen dürften vor höchsten Gerichten landen. Bis zu Urteilen wird es wieder Jahre dauern, und ob sie eine Art Rechtsfrieden bringen werden, ist offen. Es wäre sinnvoller, die Zeit zu nutzen, um politisch aufeinander zuzugehen.

Berlin könnte zum Beispiel den bereits für gemeinsame Erinnerungsprojekte eingerichteten Zukunftsfonds besser ausstatten als mit nur einer Million Euro jährlich. Was Griechenland derzeit aber mehr braucht als alles andere, sind Investitionen. Dazu kann man deutsche Firmen nicht zwingen, jedoch ermutigen. Hierbei könnten Berlin und Athen gut "freundschaftlich" und "auf Augenhöhe" zusammenarbeiten, wie Premier Alexis Tsipras sich dies nun wünscht - also handeln statt klagen.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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