Rente mit 67:Länger arbeiten, mehr zahlen, weniger bekommen

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Die Bundesregierung zieht die Notbremse bei der Altersvorsorge, doch das Problem löst sie damit jetzt auch nicht mehr.

Michael Bauchmüller und Ulrich Schäfer

Als Franz Müntefering zur Pressekonferenz in den Saal des Gesundheitsministeriums an der Wilhelmstraße stapfte, hatte er seinen schwarz-roten Wendemantel übergestreift. Seine Frau hatte ihm die Jacke vor kurzem geschenkt - eine kleine Anspielung darauf, dass er als Vizekanzler einer großen Koalition nun sowohl schwarze als auch rote Interessen vertreten muss.

Dass Müntefering an diesem kalten Februartag die schwarze Seite nach außen trug, die Kapuze aber in kräftigem Rot leuchtete, deuteten seine Büchsenspanner gleich als Symbol: Der Kopf sei in den Farben der SPD eingepackt, der schwarze Rest falle nicht weiter auf.

Der Arbeits- und Sozialminister verkündete, kaum dass an diesem Tag die Kabinettssitzung zu Ende gegangen war, einen kleinen Coup: Kanzlerin Angela Merkel und ihre Minister hatten sich am Mittwoch auf Drängen Münteferings darauf verständigt, die Rente mit 67 schneller einzuführen, als ursprünglich geplant.

Die Altersschwelle soll bereits bis 2029 um zwei Jahre angehoben werden und nicht erst bis 2035, wie Union und SPD zuvor vereinbart hatten. Verschmitzt verkündete Müntefering zum Ende seiner Pressekonferenz: "Ich bin 66, übrigens."

Problem mit Vorwarnung

Die Rente mit 67 ist das umstrittenste Element in Münteferings Rentenpolitik. Mit aller Macht versucht die Regierung, die Altersvorsorge auf sichere Beine zu stellen - und kämpft zugleich mit dem demographischen Wandel.

Die Deutschen werden immer älter - bis 2035 erwarten Statistiker eine Lebenserwartung von mehr als 85 Jahren für Frauen, von 80 Jahren für Männer. Sie zahlen seltener in die Rentenkasse, denn die Zahl sozialversicherungspflichtiger Jobs schrumpft.

Und sie kriegen zu wenig Kinder. "Im Grunde sind die Rentenempfänger der Jahre 2025 und später selbst schuld", sagt Bernd Raffelhüschen, Rentenökonom der Uni Freiburg: Nachwuchs fehlt.

Selten ließ sich ein Problem so gut absehen wie dieses, und selten tat die Politik sich so schwer damit, es zu lösen. Es gab den "Nachhaltigkeitsfaktor", der die Rentensteigerung bremsen sollte, es gab die "Riester-Rente", um parallel eine kapitalgedeckte Vorsorge einzurichten, es gab höhere Bundeszuschüsse, es gab Anhebungen der Rentenbeiträge - der nächste steht 2007 an, von 19,5 auf 19,9 Prozent des Einkommens. In der Summe wird das aber kaum ausreichen.

Und nun also die Rente mit 67: "Letztlich sprechen wir über eine Senkung der Renten", sagt Raffelhüschen. "Wer 24 Monate später in Rente geht, bekommt auch 24 Monate weniger Rente als bisher." Im Schnitt sind das 7,2 Prozent weniger.

Eine Alternative dazu, sagt der Ökonom, gebe es aber nicht. Stimmt nicht, sagen Gewerkschafter. "Wir würden schon viel erreichen, wenn wir die Lücke zwischen dem gesetzlichen und dem faktischen Renteneintrittsalter schließen würden", sagt Ursula Engelen-Kefer, Vize-Vorsitzende des DGB.

Im Schnitt mit 61 Jahren in Rente

"Der Trend zur Verjüngung von Belegschaften auf Kosten der Älteren und der Sozialversicherungen muss gestoppt werden." Tatsächlich gehen die Deutschen immer früher in Rente - im Schnitt mit gut 61 Jahren. Gelingt es nicht, das zu ändern, wird auch die Rente mit 67 nur eins bringen - eine noch stärkere Senkung der Bezüge.

An einem Wahlkämpfer-Tabu rühren auch die jüngsten Pläne nicht: Dass Zumutungen für die 15 Millionen jetzigen Rentner sich von selbst verbieten. Im Wahlkampf führte dies dazu, dass sowohl Kanzlerkandidatin Angela Merkel als auch Amtsinhaber Gerhard Schröder die Rentner schonten.

Kürzungen der Altersbezüge werde es mit ihr nicht geben, versicherte die CDU-Chefin - eine Losung, die Müntefering nun bis zum Sommer in Gesetzesform gießen will: Bis 2009 sollen die Renten zwar nicht steigen, aber auch nicht gekürzt werden.

© SZ vom 2.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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