Renaturierung:Wo die großen Schiffe fahren

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Die Vertiefung der Fahrrinne hat die Ems fast zerstört. Ein Masterplan zwischen Ökologie und Ökonomie soll sie retten.

Von Th. Hahn, A. Slavik, Hamburg

Neulich in Hannover tagte mal wieder der Lenkungskreis "Masterplan Ems 2050", und als er zu Ende getagt hatte, war tatsächlich etwas passiert. Der Bund, das Land Niedersachsen, die Kommunen, die Meyer Werft und die Naturschutzverbände kamen ihrem großen Ziel einen kleinen Schritt näher - aus der Ems wieder ein lebendiges Gewässer zu machen, ohne die regionale Wirtschaft damit zurück in die Steinzeit zu werfen. Sie einigten sich unter anderem darauf, mit dem Emssperrwerk, einem der modernsten Sperrwerke in Europa, von 2020 an den Flutstrom von der Nordsee so zu steuern, dass weniger Schlick in den Fluss gelangt.

Die Sanierung der Ems ist kompliziert. Sie gilt Naturschützern als mahnendes Beispiel für einen bis zum Verderben vertieften Fluss - mahnend auch mit Blick auf die Elbvertiefung, obwohl die Ems viel kleiner ist als die Elbe. Ihre Fahrrinne wurde zuletzt 1994 ausgebaut, seither ist sie 6,30 Meter tief. Wichtigster Nutznießer ist die Papenburger Meyer Werft, die sich mit 3300 Mitarbeitern auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert hat. Jeweils im Frühjahr und Herbst wird die Ems zur Bühne für einen neuen Ozeanriesen, der vom Stapel Richtung Nordsee geführt wird. Die Bande zwischen der Stadt Papenburg und dem Unternehmen sind traditionell eng, die Werft ist der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und jenen des Unternehmens zu trennen, das kennt man hier kaum. Deshalb wird die Ems, bevor ein weiteres Mammutschiff die Meyer-Werft verlässt, immer noch einen Meter tiefer ausgebaggert und aufgestaut.

Die Folgen sind nicht zu übersehen. Sie zeigen den Zwiespalt zwischen wirtschaftlichem Begehren und der Verletzlichkeit der Umwelt: Papenburg ist als Standort des großen Familienunternehmens und Arbeitgebers wohlauf, die Meyer Werft selbst ebenso - dem Naturraum des Flusses aber geht es schlecht.

Beatrice Claus von der Umweltstiftung WWF nennt den Fluss den "trübsten Deutschlands" und sagt: "Kein anderer Mündungsbereich ist durch eine Vertiefung so zerstört worden. Über mehrere Monate gibt es auf 40 Kilometern keinen Sauerstoff in der Ems." Der Ausbau hat die Strömungsgeschwindigkeiten verändert. Die Flut trägt mehr Sediment ins Flussbett, als die Ebbe zurückspülen kann. Über der Gewässersohle liegt im Sommer deshalb eine meterdicke Schlickschicht, die alles Leben erstickt. Verhindern konnten die Naturschützer den Eingriff damals nicht, weil ihr Recht, gegen Bundeswasserstraßen zu klagen, erst seit 2002 geregelt ist.

Jetzt will auch die Politik zurück. Genauer: Sie muss zurück, weil der Zustand der Ems so eklatant gegen europäische Richtlinien verstößt, dass Niedersachsen ein Vertragsverletzungsverfahren drohte.

Nur der Masterplan zur Renaturierung konnte das verhindern. 700 Hektar Land sollen an die Ems gehen, damit sie sich wieder mehr ausbreiten kann. Mancher Landwirt ist skeptisch. Außerdem kostet der Plan geschätzt eine Milliarde Euro. Beatrice Claus sagt: "Die Erfahrung mit der Ems zeigt: Einen Fluss gar nicht erst kaputt zu machen, sondern Alternativen zu suchen, ist billiger, als einen kaputten Fluss zu sanieren."

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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