Regionalwahlen in Frankreich:Rot en vogue

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Kräftemessen vor der Präsidentschaftswahl 2012: Martine Aubry, die Chefin der Sozialisten, hat ihre Partei zum großen Siegeszug aufgerufen. Frankreichs Präsident Sarkozy ist alarmiert.

Stefan Ulrich

Der französische Präsident hat versprochen, sich nicht in den Regionalwahlkampf hineinziehen zu lassen. "Das entspräche nicht meiner Rolle", sagte Nicolas Sarkozy.

So ist es wohl reiner Zufall, dass er jüngst Regionen besuchte, in denen seiner UMP-Partei der Sieg über die Linken nicht sicher ist. Und einer Laune des Kalenders muss es auch entsprechen, dass er nun, zwei Tage vor der Wahl am Sonntag, dem Magazin des Figaro ein seitenlanges Interview gewährt.

Rastloser Reform-Präsident

Darin ordnet der Präsident an: "Ich wünsche, dass die Wähler der Regierungsmehrheit an den Wahlen teilnehmen." Zudem verblüfft er mit dem Versprechen, im zweiten Halbjahr 2011 eine Pause bei den Reformen des Landes einzulegen.

Eine Pause? Sarkozy? Das klingt, als würde ein Kolibri geloben, künftig ruhig auf einem Ast sitzen zu bleiben. Rastlos ist der Präsident bisher von Reform zu Reform geflattert. Arbeitsrecht, Steuern, Hochschulen, Gymnasien, Staatsfernsehen, Justiz, Renten, Pflege - alles wird umgekrempelt, bis zur Erschöpfung der Franzosen.

Nichts scheint Sarkozy mehr zu scheuen als ein Innehalten. Und nun kündigt er eine Pause an?

Die Intervention hat ihren Grund. Sarkozy will die Bürger besänftigen. Denn bei der Wahl in den 22 Regionen Frankreichs (hinzu kommen vier Überseeregionen) droht dem rechten Lager des Präsidenten ein Debakel. Schon bisher werden 20 Regionen von den Sozialisten und deren kleineren Partnern regiert. Lediglich im Elsass und auf Korsika bestimmt die UMP. Nun sind auch diese Bastionen gefährdet.

Frankreich soll rot werden

Martine Aubry, die Chefin der Sozialisten, hat ihre Partei zum grand chelem aufgerufen, zum großen Siegeszug. Ganz Frankreich soll rot werden - entweder am Sonntag oder eine Woche später, beim zweiten Wahlgang in jenen Regionen, in denen keine Partei die absolute Mehrheit erreichte.

22 rote Regionen - das wäre so, als würde in allen Bundesländern die SPD regieren.

Natürlich hinkt der Vergleich. Anders als Deutschland ist Frankreich ein zentralistisches Land, und das schon seit Jahrhunderten. Die Könige, und dann, nach der Revolution von 1789, die Jakobiner sowie Napoleon bündelten die Macht in Paris. Seither regiert die Zentrale mit ihren Präfekten tief in die örtlichen Angelegenheiten hinein.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine zaghafte Dezentralisierung. Regionen wurden geschaffen. Sie orientieren sich zum Teil an historischen Namen wie der Bretagne und Burgund. Zum Teil wurden sie künstlich zusammengefügt, etwa die Region Provence-Alpes-Côte d'Azur, kurz Paca genannt.

Mit der Präsidentschaft François Mitterrands in den achtziger Jahren bekamen die Regionen dann echte Bedeutung. Sie erhielten vom Volk gewählte Versammlungen, Präsidenten, Finanzhoheit und Kompetenzen, etwa für Raumplanung, Berufsausbildung, Gymnasien, regionale Kultur und Verkehr. So stark wie deutsche Länder aber sind sie nicht.

Dennoch werden die Regionalwahlen wichtig genommen. Weniger von den Bürgern, die oft nicht wissen, wie ihr Regionspräsident heißt und was er treibt, umso mehr aber von den Politikern. Sie sehen in den Regionalwahlen das bedeutendste Kräftemessen vor der Präsidentschaftswahl 2012. Deshalb hat Sarkozy seine Minister aufs Land geschickt, um zu kandidieren und den Sozialisten die eine oder andere Region zu entreißen.

Mehr Arbeit, weniger Verdienst

Vergeblich, wie es scheint. Zwar prophezeien die Meinungsforscher, dass nach dem ersten Wahlgang die UMP und die Sozialisten im Landesdurchschnitt Kopf an Kopf liegen werden, bei je 30 Prozent. Bei den Stichwahlen am 21. März aber dürfte ein Linksbündnis aus Sozialisten, Grünen und Radikalen weit davonziehen.

Die Gründe dafür liegen in Paris. Sarkozy und seine UMP-Regierung sind sehr unpopulär. Firmenschließungen, Arbeitslosigkeit und Geldsorgen in Folge der Wirtschaftskrise bedrücken die Menschen. Sarkozy hatte ihnen versprochen, unter seiner Präsidentschaft würden sie mehr arbeiten und mehr verdienen. Nun spottet die Opposition, in Frankreich werde zwar mehr gearbeitet, aber weniger verdient.

Aubry fordert die Bürger auf, dem Präsidenten einen Denkzettel zu verpassen. Sarkozy wolle nach den Regionalwahlen den "Bambusstock" auspacken in Gestalt von Steuererhöhungen und Rentenkürzungen. Am Sonntag sei Gelegenheit, ihn zu stoppen.

Die 59 Jahre alte Aubry war 2008 als Verlegenheitslösung an die Spitze der Sozialisten gelangt. Seinerzeit wirkte sie samt ihrer Partei dem Präsidenten hoffnungslos unterlegen. Ihre beharrliche Arbeit aber, und dazu die Wirtschaftskrise, haben die Sozialisten stabilisiert. "Die Linke lässt die Hölle hinter sich und kommt ins Spiel zurück", frohlockt die Zeitung Libération.

Madame Royal würde gerne wieder antreten

Neben Aubry wollen auch andere Oppositionspolitiker die Gunst der Regionalwahlen nutzen, um ihr Profil zu schärfen. Ségolène Royal etwa, die gescheiterte sozialistische Präsidentschaftskandidatin von 2007. Sie ist Regionspräsidentin von Poitou-Charentes am Atlantik und glaubt, durch eine Wiederwahl Rückenwind für ihre nationalen Ambitionen zu bekommen. 2012 würde Madame Royal gern wieder gegen Sarkozy antreten.

Auch das Parteienbündnis Europe Écologie könnte zu einem Sieger der Regionalwahlen werden. Bei der Europawahl 2009 erreichten die Ökologen sensationelle 16,3 Prozent. Jetzt wollen sie ihren dritten Rang im Parteienspektrum festigen. Ihre Hoffnung ist es, am Sonntag wenigstens in einer Region besser als die Sozialisten abzuschneiden. Dann könnten sie dort an der Spitze eines Linksbündnisses in die Stichwahl gehen. Das grüne Elsass erscheint den Ökologen aussichtsreich zu sein.

Sogar in der verzagten UMP gibt es in diesen Tagen einen Sieger. Er heißt François Fillon. Lange galt der Premier als eine Art Hausmeister auf Abruf des Präsidenten. Mit seiner gelassenen Art kommt Fillon mittlerweile aber besser an als der Präsident. Im Wahlkampf machte er eine starke Figur als Schadensbegrenzer für die UMP. Schon wird spekuliert, Fillon könnte 2012 nach dem höchsten Amt im Staat greifen.

© SZ vom 13.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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