Regierungskrise in Belgien:Der König sagt nein

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Der Streit zwischen den Sprachgruppen in Belgien ist eskaliert - Belgiens Regierungschef Leterme hat seinen Rücktritt angekündigt. Das möchte der König nicht zulassen.

Belgiens Regierung ist zerbrochen - wegen des Streits der verschiedenen Sprachgruppen.

Der belgische Premier Ives Leterme (erste Reihe, 3.v.l.) und König Albert II. (4.v.l.) mit Regierungsmitgliedern nach der Vereidigung auf Schloss Laeken in Brüssel im November 2009. (Foto: Foto: dpa)

Nachdem die flämischen Liberalen der Open VLD das amtierende Regierungsbündnis bereits aufgekündigt hatten, ist Belgiens Regierungschef Yves Leterme zum Rücktritt entschlossen. Doch der belgische König Albert II. hat dem Rücktrittsgesuch von Premierminister Leterme zunächst nicht stattgegeben.

Nach einem Treffen betonten beide laut einer Mitteilung des königlichen Palastes, dass in der derzeitigen Lage eine tiefgreifende politische Krise vermieden werden müsse. "Dies würde einerseits dem wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehen der Bürger und andererseits der Rolle Belgiens schweren Schaden zufügen", hieß es in der Mitteilung.

Offen, ob es Neuwahlen geben wird

Belgien übernimmt in zwei Monaten turnusmäßig den Ratsvorsitz der Europäischen Union. Der König wird am Nachmittag mit weiteren Spitzenpolitikern in Brüssel über die Lage beraten. Vorerst bleibt offen, ob es Neuwahlen geben wird.

"Es gibt keinen anderen Ausweg als den Rücktritt der Regierung", hatte Finanzminister Didier Reynders erklärt. Zuvor hatte die Koalitionspartei Open VLD den Bruch der Koalition mit den Christdemokraten und Sozialisten verkündet - wegen des ungelösten Streits zwischen französisch- und niederländischsprachigen Belgiern.

Ohne die Unterstützung der liberalen Flamen-Partei hat Letermes Regierung nur eine hauchdünne Mehrheit von 76 der 150 Sitze im Unterhaus des Parlaments.

Hintergrund des Zerwürfnisses ist der Streit zwischen Wallonen und Flamen um die Minderheitenrechte von französischsprachigen Belgiern, die im Umland der Hauptstadt Brüssel leben. Das Umland gehört zu Flandern, wo gewöhnlich Niederländisch (Flämisch) gesprochen wird.

Der Streit vergiftet schon lange das politische Klima in Belgien. Nach der Parlamentswahl im Juni 2007 hatte es neun Monate gedauert, bis die Regierung stand.

Gelöst war damit der Konflikt aber nicht: Flämische Politiker blockieren unter anderem die Ernennung von gewählten Bürgermeistern, die nicht Niederländisch sprechen. Zu den schwierigen Fragen gehört auch, für welche Wahllisten die Angehörigen einer Sprachen-Minderheit die Stimme abgeben dürfen.

Der frühere Premierminister Jean-Luc Dehaene, der in Belgien den Beinamen "Minenräumer" trägt, hatte am Mittwoch eine Reihe von Vorschlägen für eine Lösung des Problems gemacht. Allerdings lehnten die flämischen Liberalen diese ab. Die anderen Parteien der Koalition waren dagegen bereit, die Gespräche fortzuführen.

"Bruch des Vertrauens"

In der Nacht zum Donnerstag hatte ein Vertreter der Open VLD bereits von einem "Bruch des Vertrauens" in der Koalition gesprochen, wie die Zeitung Le Soir in ihrer Onlineausgabe meldete.

Der flämische Christdemokrat Leterme ist seit November 2009 Ministerpräsident und stand bislang an der Spitze einer Koalitionsregierung aus fünf Parteien. Dazu gehören die flämischen (CD&V) und französischsprachigen (CDH) Christdemokraten, die Sozialisten (PS) sowie die flämischen (Open VLD) und die französischsprachigen (MR) Liberalen.

Die Regierung hätte auch ohne die Open VLD rechnerisch noch eine Mehrheit, doch gilt eine solche Regierung als politisch unmöglich, da dann nur eine Partei, die Christdemokraten, den flämischen Landesteil vertreten würde. Die prominente frankophone Sozialistin Laurette Onkelinx hatte am Morgen im Radiosender RTBF noch an die Liberalen appelliert, die Regierung nicht zu verlassen. "Man verlässt kein Schiff, dass noch nicht im Hafen angekommen ist."

Der ehemalige Premierminister Wilfried Martens hatte zuvor gewarnt, ein Bruch der Regierung mit Neuwahlen in der aktuellen Wirtschaftskrise und kurz vor der belgischen EU-Ratspräsidentschaft sei "dramatisch".

Die Krise könnte das eigentlich für Donnerstag anberaumte Parlamentsvotum über ein strenges Burka-Verbot auf unbestimmte Zeit verschieben. Das Gesetz würde die von manchen muslimischen Frauen getragenen Schleier, die das Gesicht ganz oder fast ganz verhüllen, in der Öffentlichkeit weitgehend verbieten. Es wäre das strengste Verbot dieser Art in Europa.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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