Regierung:Der jähe und späte Fall des James Comey

Lesezeit: 4 min

Die Entscheidung aus dem Weißen Haus kam für viele Beobachter völlig überraschend - und wirft Fragen auf. (Foto: Carolyn Kaster)

Washington (dpa) - "You're fired": Als ehemaliger Reality-TV-Star kennt sich Donald Trump mit Rauswürfen bestens aus. Im echten Leben aber ist die fristlose Entlassung von FBI-Direktor James Comey von einem Kaliber, welches das politische Leben in den USA ins Mark trifft.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Washington (dpa) - „You're fired“: Als ehemaliger Reality-TV-Star kennt sich Donald Trump mit Rauswürfen bestens aus. Im echten Leben aber ist die fristlose Entlassung von FBI-Direktor James Comey von einem Kaliber, welches das politische Leben in den USA ins Mark trifft.

Das FBI, das seien die Kronjuwelen der Strafverfolgung! Meint Trump. Sodann bricht er an einem hellen Frühlingstag, dem 110. im Amt, mit einem Hammerschlag den größten Zacken aus dieser Krone. Warum?

Wer den US-Wahlkampf 2016 verfolgt hat, wird die Begründung des Weißen Hauses mehrfach lesen müssen, um sie zu glauben. Es ist Comeys Handhabung der Affäre um Hillary Clintons E-Mails aus ihrer Zeit als Außenministerin. Eine Affäre, die Trump ausgeschlachtet hat wie kein zweiter. Die ihm sehr, sehr genutzt hat. In der James Comey eine erhebliche Rolle gespielt hat. Mehrfach hat Trump Comey für seine Haltung gelobt, ihm Rückgrat und Anstand attestiert.

Rückblende: Am 5. Juli 2016 sagt Comey, mit ihrer Nutzung privater E-Mail-Server habe Clinton sich zwar selten dümmlich verhalten, er empfehle aber keine Anklage. Trump war damals deswegen vor Wut fast geplatzt. Warum seine Regierung nun bis zum 9. Mai 2017 brauchte, um Comey daraus einen Strick zu drehen, exakt ein halbes Jahr nach der US-Wahl, man weiß es nicht.

Demokraten und eine ganze Reihe von US-Medien vermuten statt Clinton hinter der Demission einen ganz anderen Grund: die Russland-Ermittlungen des FBI gegen Trumps Wahlkampfteam. Comey sei zu unbequem geworden. Öffentlich hatte der seinem Präsidenten widersprochen, als er von einer Abhöraktion Barack Obamas im Trump-Tower fabulierte. So etwas kann Trump nicht ertragen.

Das Repräsentantenhaus, der Senat, das FBI: Alle untersuchen sie einen russischen Einfluss auf die Wahl 2016, und ob oder wie Trump von einer Beeinflussung durch Moskau profitiert hat. Mit Comeys Rauswurf steht die Zukunft der FBI-Ermittlungen in den Sternen. Würde denn ein von Trump ausgesuchter FBI-Direktor weiter ermitteln? Oder eher die Clinton-Akten wieder öffnen wollen?

Nicht nur die Demokraten reagieren zutiefst schockiert. Einige von ihnen stellen die Systemfrage, sehen das politische Gerüst der USA in seinen Grundfesten gefährdet. Parlamentarisch wollen sie sich wehren. Der Minderheitsführer im Senat Charles Schumer will einen Sonderermittler einsetzen, „furchtlos und unabhängig“, seine Partei will die Arbeit der ermittelnden Ausschüsse intensivieren. Aber, aber - die Republikaner, sie kontrollieren beide Häuser des Kongresses.

Der Mann, der an Trumps Wahlsieg indirekt nicht ganz unschuldig ist, könnte nun zu einer Ikone des Anti-Trump-Widerstandes werden. Der Mann, der Clinton kurz vor der Wahl den vielleicht entscheidenden Schlag versetzte, als das FBI erwog, nochmals in Ermittlungen einzusteigen. Das verlief rasch im Sand, aber für die Demokratin war es zu spät. Und eben dieser Mann wird nun gefeuert, nach nur drei Jahren im Amt und sieben Jahre vor Ende seiner Amtszeit.

Was ist da nur passiert?

US-Medien berichten, seit vergangener Woche schon sei Justizminister Jeff Sessions beauftragt worden, einen Fall gegen Comey aufzubauen. „Gründe“ zu finden. In Schreiben Sessions' und seines Stellvertreters Rod Rosenstein, auf die Trump sich stützt, werden Comey Unfähigkeit, Amtsanmaßung, Selbstherrlichkeit und sachliche Fehler unterstellt.

Die „New York Times“ berichtet, Trump habe mit der Welle der Empörung und den oft entsetzten Reaktionen überhaupt nicht gerechnet. Er habe gedacht, Comey sei auch bei den Demokraten unten durch, nachdem er vor kurzem eine falsche Aussage zu Clintons E-Mails machte. Nicht nur „Politico“ sieht einen schweren Einschätzungsfehler. Am Mittwoch twitterte Trump, wenn sich die Dinge beruhigt hätten, würden ihm alle noch dankbar sein.

„Was ist denn das für ein Land geworden?“, fragt der CNN-Kommentator Jeffrey Toobin am Dienstag. Nicht nur er fühlte sich mit der Entlassung Comeys an den Watergate-Skandal erinnert.

Der demokratische Senator Richard Blumenthal: Was jetzt passiert, erinnert sehr an 1973, an eine der dunkelsten Stunden unseres Landes. Wir sollten alles tun, damit sich das nicht wiederholt. Sein Kollege Bob Casey schlug die gleiche Brücke in die Geschichte, „nixonhaft“ sei das alles, absolut nicht zu glauben.

1973 hatte sich US-Präsident Richard Nixon des US-Chefanklägers Archibald Cox entledigt - einer seiner schwereren und folgenreichsten Fehler, die zu seinem Rücktritt führten. Cox' Büro wurde seinerzeit sofort versiegelt, um Akten und Ermittlungsergebnisse zu sichern. Ob gleiches nun mit Comeys Büro und Dateien geschah, war nicht bekannt.

Comey selbst erfuhr von seiner Entlassung während einer Rede im FBI-Büro in Los Angeles. Aus Fernsehern, die im Hintergrund liefen. Er hielt das tatsächlich zunächst für einen Witz auf seine Kosten. Dann nahmen ihn Mitarbeiter beiseite, er schüttelte ein paar Hände, wurde in ein Büro geführt. Er habe bis dato nichts aus dem Weißen Haus gehört, schreibt die „New York Times“. In der Hauptstadt brachte währenddessen angeblich Keith Schiller das Entlassungsschreiben ins FBI. Schiller ist der langjährige private Bodyguard des Präsidenten.

In nicht wenigen Kommentaren in den sozialen Netzwerken findet sich in der Nacht zum Mittwoch das Wort „Bananenrepublik“.

Das Schreiben Trumps selbst ist mehr als bemerkenswert. Nicht nur, dass es überhaupt bekannt wird: Der 45. Präsident der USA benennt seine eigene mögliche kriminelle Verwundbarkeit selbst auch noch im gleichen Satz, in dem er Comey feuert. Und hat Comey Trump wirklich drei Mal versichert, gegen ihn werde nicht ermittelt, so wie er es in seinem Brief behauptet? Der FBI-Direktor? In laufenden Ermittlungen?

Nun wird Vize Andrew McCabe das FBI kommissarisch leiten. Als FBI-Direktor genannt werden nun illustre Namen aus dem weitgesäumten Gefolge Trumps: New Jerseys Gouverneur Chris Christie, und Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister New Yorks. Die Position bedarf der Zustimmung des Senats. Die Republikaner haben die Mehrheit. Es geht um einen der wichtigsten Posten in der Sicherheitsarchitektur der USA. Er wird durch die Umstände von Comeys Rauswurf extrem belastet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: