Reform der Entwicklungsarbeit:Kampf um den besten Platz

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Entwicklungsminister Niebel will sein Haus völlig neu organisieren - und stößt damit auf den Widerstand der Hilfsorganisationen.

S. Braun

Die erste Aufregung hat sich gelegt. Trotzdem beschäftigt der Umbau der deutschen Entwicklungsgesellschaften nach wie vor die Phantasie vieler Politiker und Beteiligter. Nachdem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durch seine Ankündigung erst einmal viel Wirbel auslöste, sind es jetzt vor allem die betroffenen Bundestagsabgeordneten, die für die künftigen Standorte werben.

Weitere Details der Reform dagegen werden derzeit nicht bekannt und auch nicht im Ministerium verhandelt. Auf Anregung des Hauses von Minister Dirk Niebel sitzen Arbeitsgruppen der drei Organisationen DED (Deutscher Entwicklungsdienst), GtZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) und Inwent (Internationale Weiterbildung) zusammen, um selbst Vorschläge für die Fusion zu entwerfen.

Offen gekämpft wird im Augenblick vor allem um Standorte. Zunächst waren es zwei prominente CDU-Politiker, die mit Verve für Bonn als künftigem Sitz der neuen Organisation eintraten. So warben Bundesumweltminister Norbert Röttgen und der neue Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid, in einem gemeinsamen Appell für die alte Bundeshauptstadt. Krautscheid betonte, Bonn eigne sich "hervorragend für eine weitere Konzentration der Kompetenzen im Bereich der Technischen Zusammenarbeit". Röttgen ergänzte, eine Stärkung des Standorts als Zentrum der Entwicklungspolitik sei "sowohl zweckmäßig als auch inhaltlich sinnvoll".

Kaum hatten sich die beiden, der eine Bezirks-, der andere Kreisvorsitzender der CDU, zu Wort gemeldet, rührten sich auch vier von fünf Bonner Bundestagsabgeordneten. Unter Federführung des Sozialdemokraten Ulrich Kelber werben dabei Katja Dörner (Grüne), Paul Schäfer (Linke) und Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) für die alte Bundeshauptstadt. In einem gemeinsamen Aufruf schreiben sie, es liege "auf der Hand", den Standort und den Vorstandsvorsitz nach Bonn zu verlegen. Das entspräche zudem den Zielen des Bonn-Berlin-Gesetzes, das eine Konzentration der Entwicklungspolitik in Bonn vorsehe. Zugleich warnen die vier davor, diese Debatte mit anderen Diskussionen zu verquicken. Hintergrund ist, dass es derzeit Überlegungen gibt, die Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) von Bonn nach Frankfurt zu verlegen. Kein Wunder, dass - zumal in Bonn - mancher auf Ausgleich bedacht ist. Einer allerdings hält sich bei alldem raus, es ist der fünfte Bundestagsabgeordneten aus der alten Hauptstadt. Der Mann heißt Guido Westerwelle, ist Außenminister - und mag sich offenbar noch nicht festlegen.

Doch bei den eigentlichen Fusionsverhandlungen führt derzeit nicht die Politik das Wort. Stattdessen suchen die Organisationen DED, GtZ und Inwent in Arbeitsgruppen nach Antworten auf zwei Fragen. Erstens: Wie könnten sogenannte Fusionsgewinne aussehen? An welcher Stelle also würden durch eine Fusion Arbeit, Aufgaben und Stellen frei werden, weil man sie in einer neuen Organisation nicht doppelt brauchen wird? Und zweitens: Wie könnte ein gemeinsames, identitätsstiftendes Geschäftsmodell für eine fusionierte große deutsche Entwicklungsorganisation aussehen?

An diesem Mittwoch wird Niebel zunächst dem Kabinett und dann auch der Öffentlichkeit Grundzüge der Reform vorstellen. Er wird dabei aber wohl noch keine Details nennen. Klar ist nur, dass die drei Gesellschaften verschmelzen werden, dass die neue Organisation wohl auch einen neuen Namen erhalten wird - und dass über den Sitz der Geschäftsführung noch nicht entschieden ist.

Das liegt auch daran, dass noch mancher Parteifreund und mancher Koalitionspartner bei Niebel vorstellig werden dürfte, um für Eschborn (den Hauptsitz der GtZ), für Bonn, womöglich gar für Berlin zu werben. Kämpfen und werben werden darüber hinaus auch die zu fusionierenden Organisationen. Legendär ist die Erzählung, dass so mancher Geschäftsführer bei früheren Fusionsplänen ganze Weinkisten darauf verwettete, die Pläne des Ministeriums zu durchkreuzen. Derlei Wetten dürften diesmal nicht mehr von Erfolg gekrönt sein.

© SZ vom 24.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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