Referendum nach Bankenpleite:Isländer brüskieren die Gläubiger

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Mehr als 90 Prozent der Isländer wollen die Schulden in Höhe von fast vier Milliarden Euro aus einer Bankenpleite nicht begleichen. Das könnte schwerwiegende Folgen haben.

Islands Bevölkerung hat eine Vereinbarung zur Tilgung riesiger Auslandsschulden an Großbritannien und die Niederlande mit der erwartet klaren Mehrheit abgelehnt. Bei dem Referendum am Samstag stimmten nach einer TV-Prognose 93,1 Prozent gegen und nur 1,6 Prozent für den letztes Jahr ausgehandelten Vertrag zwischen den drei Regierungen.

Darin verpflichtet sich Island zur Rückzahlung von 3,8 Milliarden Euro sowie 5,5 Prozent Zinsen aus dem Zusammenbruch der heimischen Internetbank Icesave bis zum Jahr 2024. Die Summe entspricht mehr als einem Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung auf der Atlantik-Insel. Unter den 320.000 Bürgern hatten vor allem die hohen Zinsbelastungen große Empörung ausgelöst.

Günstigere Bedingungen gefordert

Das Referendum gilt als umstritten, weil Briten und Niederländer inzwischen bereits verbesserte Rückzahlungsbedingungen angeboten haben.

Islands Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardóttir bedauerte das klare "Nein": In der Nacht sagte sie, die Verzögerung bei den weiter laufenden Verhandlungen mit beiden Ländern durch das Referendum seien für Island "sehr teuer".

Die Ablehnung könnte die wirtschaftlichen und politischen Probleme des gebeutelten Inselstaates weiter verschärfen. So dringt der Internationale Währungsfonds (IWF), von dem Island einen weiteren Kredit in Höhe von 4,6 Milliarden Dollar erwartet, auf eine Rückzahlung der Auslandsschulden. Überdies könnte die Bonitätsbewertung Islands wegen des Neins bei der Volksabstimmung weiter herabgestuft werden. Findet sich kein Kompromiss mit den Niederlanden und Großbritannien, so könnten die beiden EU-Staaten auch die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Island verhindern.

Am Vortag hatte Sigurdardóttir erklärt, sie halte die Volksabstimmung wegen der veränderten Verhandlungslage mit Briten und Niederländern für sinnlos. Die Ministerpräsidentin selbst wollte sich deshalb ihre Stimme enthalten.

Island erkennt die Zahlungsverpflichtungen aus dem Icesave-Zusammenbruch im Grundsatz an, will aber günstigere Bedingungen erreichen als bisher vereinbart. Die endgültige Einigung mit Großbritannien und den Niederlanden gilt als Voraussetzung für die Freigabe dringend benötigter Kredite durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und nordische Partnerstaaten.

Die Beteiligung am ersten Referendum in Island überhaupt lag deutlich unter der bei Wahlen üblichen Bevölkerungsbeteiligung: Lediglich 54 Prozent der Isländer votierten. 5,2 Prozent der abgegebenen Stimmen waren ungültig.

Das offizielle Endergebnis des Referendums stand auch am Sonntagmorgen wegen extrem schlechten Wetters im nördlichen Landesteil noch nicht endgültig fest.

© dpa/apn/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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