Red Hand Day: Kindersoldaten:Zum Kämpfen gezwungen

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Sie sind billiger, gehorsamer, manipulierbarer: Weltweit dienen 250.000 Kinder in Armeen. In Birma ist das Problem derzeit besonders gravierend. Der "Red Hand Day" soll auf ihr Schicksal aufmerksam machen.

M. Fiedler

Zwei Männer überfallen den 13-jährigen Phoe Lone an einer Straßenecke seiner Heimatstadt. Sie stopfen ihm einen Knebel in den Mund und schleppen ihn zu einem Bus. Niemand greift ein, denn die Entführer sind Soldaten des birmanischen Militärs. Sie wollen den Jungen zur Armee zwingen.

In Birma, das von der Militärjunta in Myanmar umbenannt wurde, sind insgesamt 77.000 Kinder der Armee und bewaffneten Rebellengruppen in die Hände gefallen (Foto: DPA)

Phoes Geschichte, die er vor kurzem Journalisten des von Exil-Birmanern betriebenen Nachrichtenportals Mizzima erzählte, ist eine von vielen Tausenden. Phoe ist nur einer von insgesamt 70.000 Kindersoldaten in Birma, die derzeit in der Armee dienen - die meisten von ihnen unfreiwillig, manche gerade einmal zehn Jahre alt. Jeder fünfte Soldat in Birmas Armee ist minderjährig. Hinzu kommen Kindersolaten bei Rebellengruppen, die schon seit Jahren von der staatlichen Armee bekämpft werden. Sie missbrauchen Schätzungen zufolge weitere 7000 Kinder als Soldaten.

In keinem Land zählen Menschenrechtler so viele Kindersoldaten wie in Birma, wo seit Jahrzehnten eine Militärjunta mit harter Hand regiert. Aber auch in Kolumbien, dem Tschad, Sudan, Somalia, dem Kongo, Afghanistan, Indien und Thailand ist das Problem gravierend. 250.000 Kindersoldaten gibt es weltweit. Seit 2002 findet deshalb jedes Jahr am 12. Februar der Red Hand Day statt, an dem überall auf der Welt mit verschiedenen Aktionen auf das Schicksal der Kindersoldaten aufmerksam gemacht wird. Internationale Hilfsorganisationen wie Unicef, Amnesty International und das Internationale Rote Kreuz setzen sich für die Entlassung der Kinder aus dem Militärdienst und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft ein.

Phoe Lone wurde für viereinhalb in einem Trainingscamp der Armee ausgebildet, dann muss er beim Hausbau eines Kommandanten mithelfen. Von früh bis spät schleppt er Zementsäcke. "Die Arbeit hat mich fast umgebracht und zu essen gab es anfangs auch nichts. Wir mussten unsere Nahrung selbst suchen", erzählt Phoe. Von den 40 Cent Gehalt, die er eigentlich am Tag bekommen sollte, sieht Phoe nie etwas. Trotzdem hat er noch Glück gehabt. "An die Front musste ich nie", sagt Phoe.

In Birma werden Kinder vor allem eingezogen, weil nicht genügend Erwachsene zum Militärdienst bereit sind. Zivile Vermittler und Soldaten ziehen durch die Dörfer und zwingen Kinder meist durch Einschüchterung, Gewalt und der Androhung von Gefängnis zum Militär. Außerdem werden lokale Behörden teilweise unter Druck gesetzt, eine bestimmte Zahl an Kindersoldaten pro Dorf zur Verfügung zu stellen.

"Leider ist es auch so, dass sich viele Kinder mehr oder weniger freiwillig einziehen lassen", sagt Barbara Dünnweller, Kinderrechtsexpertin der Kindernothilfe. Viele seien nach dem Verlust ihrer Eltern völlig auf sich allein gestellt. Für sie sei die Armee eine Möglichkeit zu überleben. Andere wollen den Mord an ihren Angehörigen rächen und melden sich deswegen für den Dienst an der Waffe.

Weil es in Birma ein Gesetz gegen die Rekrutierung von unter 18-Jährigen gibt und vor einigen Jahren eine Regierungskommission eingerichtet wurde, die dessen Einhaltung überprüft, werden die Kinder auf dem Papier meist einfach älter gemacht als sie sind.

Wer desertiert, wird misshandelt oder kommt ins Gefängnis. (Foto: AP)

Der Mangel an Soldaten ist nicht der einzige Grund, warum das Militär in Birma und viele andere Staaten auf Kinder an der Waffe setzen. Nach Aussage von Ralf Willinger, dem Experten für Kindersoldaten der Menschenrechtsorganisation Terre des Hommes, sind Kinder außerdem billiger, gehorsamer und vor allem manipulierbarer. "Wenn man sie darauf gedrillt hat, würden sie zum Beispiel ein Minenfeld erkunden. Erwachsene wehren sich meist gegen solche Aufgaben", sagt Willinger.

Was die Kinder teilweise mit ansehen und oft auch selbst tun müssen, traumatisiert sie tief. Sie sind bei der Zerschlagung von Aufständen dabei, zerstören Ernten und brennen ganze Dörfer nieder. Auch Botendienste und Spionage gehören zu den Aufgaben der Kindersoldaten. Die Mädchen in der Armee werden häufig sexuell missbraucht. Wer versucht, wegzulaufen, muss mit harten Strafen rechnen. Einige werden mit Stöcken geschlagen, bis sie sich kaum noch bewegen können, andere müssen wegen Fahnenflucht zwei oder mehr Jahre ins Gefängnis. "Die Militärregierung in Birma tritt die Menschenrechte mit Füßen", sagt Willinger.

Momentan kann die internationale Staatengemeinschaft wenig Druck auf die birmanische Regierung ausüben. Wirtschaftssanktionen bewirken laut Willinger nicht genug, weil Birma immer noch freundliche Beziehungen mit seinen Nachbarländern China, Thailand und Indien pflegt. Außerdem protegiere China Birma immer wieder im Sicherheitsrat der UN, sagt Willinger.

Trotzdem konnten Terre des Hommes in Birma schon Erfolge verzeichnen. Fünf der 30 bewaffneten Rebellengruppen im Land haben mittlerweile vertraglich zugesichert, keine Kindersoldaten mehr einzusetzen. Gewirkt hat laut Willinger vor allem Aufklärungsarbeit, aber auch die Androhung von Strafen. "Diese Gruppen wissen manchmal gar nicht, dass es verboten ist, Kinder als Soldaten zu benutzen", sagt Willinger.

Phoe ist heute 15 Jahre alt und wohnt wieder bei seiner Mutter. Mitarbeiter der International Labor Organisation haben sich dafür eingesetzt, dass er aus der Armee entlassen wird. Doch Phoe ist eine Ausnahme. "Allein in meiner Einheit gab es noch 15 oder 20 andere Kindersoldaten. Ich habe ihnen versprochen, dass ich mich für ihre Freilassung einsetze", sagt Phoe.

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