Rechtspopulisten:Aufwind für den Flügel

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Der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke profitiert vom Chaos in Thüringen. Er könnte jetzt in der Parteihierarchie aufsteigen.

Von Markus Balser

Wie überraschend kam die AfD-Hilfe für den FDP-Kandidaten wirklich? Ein Brief an den "sehr geehrten Herrn Kemmerich" lässt tief blicken. Schon am 1. November 2019 schickte Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke eine klare Offerte an den FDP-Kollegen Thomas Kemmerich und in Kopie auch gleich noch an den CDU-Landesvorsitzenden Mike Mohring. Nach der Wahl in Thüringen sei zwar klar, dass deren Parteien keine Koalition mit der AfD wollten. Aber Höcke bot "neue Formen der Zusammenarbeit" an. Etwa eine "von unseren Parteien gemeinsam getragene Expertenregierung oder eine von meiner Partei unterstützte Minderheitsregierung".

Das AfD-Schreiben, das am Donnerstag in Berlin kursierte, nährt nicht nur Zweifel an der Version Kemmerichs, von der Zustimmung der AfD nichts geahnt zu haben. Es zeigt auch, wer da im Hintergrund die Strippen zog. Und so triumphierte als Königsmacher am Mittwoch Björn Höcke, ein rechtsnationaler AfD-Mann, der es zuletzt selbst in der eigenen Partei schwer hatte. Aus Sorge, von den eigenen Leuten abgestraft zu werden, kandidierte er auf dem Bundesparteitag in Braunschweig nicht für die Parteispitze.

Doch mit dem Coup von Thüringen könne sich die Rolle Höckes in der Partei verändern, verlautete in der AfD. Offen mag es so zwar niemand sagen, die Sache sei zu heikel. Doch hinter vorgehaltener Hand geben Abgeordnete aus Bundestag und Landtagen zu verstehen, dass Höcke und sein rechter Flügel von dem Chaos in Thüringen profitieren werden. Höcke, der laut einem Gerichtsurteil vom vergangenen Jahr "Faschist" genannt werden darf und dessen rechtsnationaler "Flügel" in der AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft wird, könne in der Parteihierarchie aufsteigen. Schon in den vergangenen Monaten hatten mehrere Bundestagsabgeordnete die Fraktion unter Verweis auf das Erstarken des Flügels verlassen. Höcke bekomme nun eine noch größere Legitimation, heißt es aus der AfD.

Lange sah es nicht nach einer solchen Entwicklung für Höcke aus. Mit wem Union und FDP da gemeinsame Sache machten, zeigen parteiinterne Dokumente aus dem Jahr 2017. Damals versuchte der eigene AfD-Bundesvorstand, Höcke aus der Partei auszuschließen. Der Antrag attestierte ihm eine "grundlegende Ablehnung des Parteiensystems". Formulierungen Höckes fänden sich auch in Wahlkampfreden von Adolf Hitler. Sein Verhalten lege den Schluss nahe, dass er die demokratische Verfassung der AfD nicht akzeptiere, sondern stattdessen den "Thüringer Weg als Führer vorgeben will". Das Landesschiedsgericht der AfD wies jedoch den Antrag im Mai 2018 ab. Eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus sei nicht festzustellen.

Wie einflussreich der 47-Jährige wirklich ist, könnte sich Ende April zeigen. Dann berät die AfD auf einem Sozialparteitag über ihr künftiges Rentenkonzept. Parteichef Jörg Meuthen setzt auf eine radikale Reform, AfD-Politiker um Björn Höcke aus dem Osten sind dagegen. Der Parteitag werde wohl über die Rente hinaus Aufschluss über die künftige Richtung liefern, sagt ein Abgeordneter.

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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