Rechtslage:Bitte, hilf mir!

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Nicht alle Deutschen im Ausland haben einen Anspruch auf staatlichen Beistand. Bei mutmaßlichen Straftätern gibt es breiten Spielraum.

Von Ronen Steinke

Wenn sich irgendwo auf der Welt eine Deutsche oder ein Deutscher wegen schwerster Straftatvorwürfe verantworten muss, verpflichtet das die Bundesregierung nicht automatisch, Diplomaten zu schicken und zu helfen. Das mag überraschen. Aber die Bundesregierung ist zu kaum etwas verpflichtet, wenn es um deutsche Dschihadistinnen geht, die im Irak aufgegriffen wurden - seien es auch Ex-Dschihadistinnen, also Aussteigerinnen. Konsularischer Beistand ist etwas, das die Bundesregierung insbesondere bei Fällen mit Bezug zum Dschihadismus in der Vergangenheit sehr selektiv gewährt hat. Nun gewährt sie diese Fürsorge freiwillig.

Berlin kann hart bleiben, selbst wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht

Nach Artikel 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen dürfen Staaten einen Landsmann in Haft besuchen, um "mit ihm zu sprechen und zu korrespondieren sowie für seine Vertretung in rechtlicher Hinsicht zu sorgen". Das ist ein Recht des Staates, keine Pflicht. Auch nach deutschen Gesetzen ist die Regierung nicht gezwungen zu helfen. Im Gegenteil hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder festgestellt, dass die Regierung breites Ermessen hat in der Frage, welchen Preis sie zu zahlen bereit ist, um einen Bürger heimzuholen. Sei es eine deutsche Geisel in den Händen von Entführern, die Forderungen stellen. Berlin darf hart bleiben, selbst wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht. Oder sei es einer der mehr als 2000 Deutschen, die derzeit nach Angaben des Auswärtigen Amts im Ausland in Haft sitzen. Es sitzen auch einige männliche Dschihad-Reisende aus Deutschland in irakischen Zellen. Sollen auch sie alle heimgeholt werden, damit ihnen in Deutschland der Prozess gemacht wird?

Bei einzelnen Islamismus-Verdächtigen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit sogar den Kontakt abgebrochen. Der deutsche Guantánamo-Häftling Khalid el-Masri ist ein Beispiel. Ein anderes ist der Deutschsyrer Mohamed Haydar Zammar, aufgewachsen in Hamburg. Im Jahr 2002 wurde er in Syrien in ein Geheimgefängnis verschleppt. Deutsche Diplomaten gönnten ihm anfangs konsularische Besuche. Auf Druck des Kanzleramts stellten sie diese aber bis Juni 2004 ein. Die Regel lautet: Deutschland kann Diplomaten schicken. Die Regierung engagiert sich aber nur soweit sie will. Jetzt will sie. Der Unterschied ist, dass Kinder im Spiel sind. Wenn irgendwo auf der Erde ein Kind einer deutschen Mutter zur Welt kommt, dann hat es zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, aber nicht automatisch einen Schutzengel in Berlin. Auch da gilt die Rechtsprechung vom weiten Ermessen. Doch ist das nur die kalte, rechtliche Sichtweise. Und da macht die Bundesregierung zum Glück nicht halt. Dabei kommt auch die irakische Seite den Deutschen vielleicht entgegen. Wenn deutsche Frauen mit ihren Kindern aus irakischer Haft entlassen werden und zurück in die Heimat reisen sollten, dann nur als Folge eines politischen Geschäfts. Nicht als Folge rechtlichen Zwangs. Wenn die Kinder deutscher "Dschihad-Bräute" einen irakischen Vater haben, dann haben sie - auch - die irakische Nationalität. Das heißt, aus Sicht der Regierung in Bagdad gelten sie überhaupt nicht als Ausländer. Die Iraker könnten sich eine Einmischung von deutscher Seite verbitten. Wenn sie das wollten.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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