Reaktionen:Das Dickicht lichten

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Ein Register soll bald helfen, so zumindest der Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Wie Politik und Krankenkassen nun reagieren und die Medizinprodukte zuverlässiger machen wollen.

Von Kristiana Ludwig und Mauritius Much

All die Berichte über leidende Patienten und minderwertige Produkte haben gezeigt: Das Problem mit fehlerhaften Implantaten lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nun prüfen, wie die Sicherheit von Medizinprodukten verbessert werden kann. Erst vor zwei Wochen hatte Spahn ein Gesetz angekündigt, mit dem der Bund besser auf Medikamentenskandale reagieren soll. Denn wenn heute ein Medikament gefälscht, verunreinigt oder gestohlen wurde, ist nicht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig, sondern 37 unterschiedliche Landesbehörden, die den Arzneimittelmarkt überwachen.

Spahns neues Gesetz soll die Landesbehörden verpflichten, bestimmte Rückrufe an Behörden wie das BfArM zu melden. Sie sollen zudem mehr Unterlagen einsehen dürfen, um Pharmafirmen zu kontrollieren. In Ausnahmefällen soll auch das BfArM selbst Arzneimittelrückrufe anordnen dürfen. "So etwas könnte man sich auch für den Bereich der Medizinprodukte überlegen", sagte Spahns Sprecher.

Außerdem will der Gesundheitsminister nun ein Implantate-Register einführen, und zwar noch in dieser Legislaturperiode. Durch ein solches Register ließe sich auch die Haltbarkeit eines Implantats überprüfen. Mit seinem Vorstoß kündigt Spahn aber nur an, was bereits 2017 in der EU-Medizinprodukteverordnung angeregt worden ist. Sein Sprecher betont, dass "auf EU-Ebene bereits reagiert" worden sei. So sei die Auswahl und Qualitätskontrolle der Prüfstellen, die Hüftimplantate oder andere Medizinprodukte zertifizieren, verschärft worden. Bisher hätten die Mitgliedstaaten diese Stellen "mehr oder weniger in eigener Regie benannt", sagte der Sprecher. "Das wird geändert."

Allerdings behebt auch die neue EU-Verordnung nicht das Grundproblem des Zulassungssystems: Nicht eine unabhängige staatliche Behörde, sondern private Prüfstellen zertifizieren Hüftprothesen oder Brustimplantate. Diese erhalten den Prüfauftrag von den Herstellern und werden von ihnen bezahlt. Dadurch ergeben sich Interessenskonflikte. Denn einerseits sollen die Prüfstellen sicherstellen, dass die Produkte die Qualitätsstandards erfüllen. Anderseits könnten zu scharfe Kontrollen die Hersteller dazu bringen, sich an eine andere von den etwa 50 Einrichtungen in der EU zu wenden.

Dass weiter Privatunternehmen Medizinprodukte zertifizieren, kritisiert die Linke. Sylvia Gabelmann, Sprecherin für Arzneimittelpolitik, fordert eine unabhängige staatliche Zulassung für jedes neue Produkt. Auch Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, bemängelt das vergleichsweise laxe Kontrollsystem: "Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland Nasentropfen strenger kontrollieren als Herzkatheter", sagt sie.

Spahn hob indes hervor, dass laut der neuen EU-Verordnung neben den privaten Stellen auch ein Expertengremium riskante Medizinprodukte prüfen soll. Jedoch kann dieses Gremium nur Ratschläge erteilen, sie sind nicht bindend. Zudem ist unklar, wer in diesem Gremium sitzen soll. "Wir haben keine Garantien dafür, ob die Experten nicht doch für die Pharmakonzerne arbeiten", sagt Michèle Rivasi, Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) fordert zusätzlich eine Prüfpflicht neuer Klinikmethoden, bei denen Medizinprodukte verwendet werden. "Nur was sicher ist und den Patienten wirklich etwas nützt, wird von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt", sagt die GKV-Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer. Eine solche Pflicht könne Deutschland auch ohne eine europäische Regelung einführen.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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