Reaktionen:Bahr kündigt Konsequenzen aus Ehec-Krise an

Lesezeit: 3 min

"Wir gucken uns das genau an": Nachdem die Behörden Sprossen als Ursache der Ehec-Epidemie entlarvt haben, will Gesundheitsminister Bahr die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Behörden auf den Prüfstand stellen. Die Warnung vor spanischen Gurken könnte ein juristisches Nachspiel haben.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Behörden im Zuge der Ehec-Krise auf den Prüfstand stellen. "Wir werden uns in Ruhe mit den Ehec-Erfahrungen beschäftigen und gemeinsam mit den Ländern entscheiden, welche Konsequenzen zu ziehen sind", sagte Bahr.

Kündigten Konsequenzen aus dem Ehec-Krisenmanagement an: Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner und Gesundheitsminister Daniel Bahr. (Foto: dapd)

Es gehe darum, das Zusammenspiel zu verbessern, "um beim nächsten Mal besser vorbereitet zu sein". Der FDP-Politiker versprach: "Wir gucken uns das genau an." Derzeit sei es aber noch zu früh, sich schon auf Änderungen festzulegen.

Zugleich betonte Bahr, das Robert-Koch-Institut (RKI) habe eine hervorragende Arbeit geleistet. So sei es dem RKI frühzeitig gelungen, die Infektionsquellen einzuengen. Mit der Fokussierung auf Sprossen als Ursache sei nun eine weitere Einengung erfolgt. Allerdings könnten die Mitarbeiter unter Umständen gestärkt und die Meldewege vielleicht effizienter gestaltet werden. Diese Fragen würden Thema der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz sein.

Bahr verteidigte die bisherige Warnung vor Gurken, Salaten und Tomaten. "Es war richtig. Gesundheit hat Priorität", sagte der Gesundheitsminister. Bereits am Vormittag war der FDP-Politiker gegen Kritik an seiner Kommunikationspolitik in die Offensive gegangen. Er beklagte verwirrende Informationen im Zusammenhang mit der Ehec-Epidemie: Gegen die vor allem von "selbst ernannten Experten" in die Welt gesetzten Vermutungen habe er "gar nicht anarbeiten können", sagte er.

Auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) kündigte eine "Manöverkritik" an, in der es um die Frage gehe, wer künftig in ähnlichen Fällen nach außen sprechen solle. Zugleich widersprach sie Vorwürfen der Opposition, bei den Absprachen und Kompetenzverteilungen zwischen Bund und Ländern herrsche Chaos. "Die Opposition macht es sich mit ihren billigen Sprüchen leicht", sagte sie. Sie selbst habe sich nichts vorzuwerfen, so Aigner.

Angesichts der Entwarnung für Gurken, Tomaten und Salat zeigte sich auch Bauernpräsident Gerd Sonnleitner erleichtert. "Das ist heute eine gute Botschaft für die deutschen und europäischen Gemüseerzeuger", sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes dem Fernsehsender N24. "Der Verzehr wird jetzt sicher wieder auf normales Niveau ansteigen." Sonnleitner setzt darauf, dass wieder Vertrauen in den Markt zurückkehrt und wieder Gemüse gegessen wird.

Recht könnte ihm die Reaktion von Verbrauchern in Hamburg geben: Dort protestierten an diesem Freitag Gemüsebauern, indem sie tonnenweise Gurken, Salat und Kohlrabi verschenkten. Mitten in die Protestaktion platzte die Nachricht von der Entwarnung: "Das hat sich so doll verbreitet, dass die Leute uns das Gemüse dann tütenweise aus der Hand gerissen haben", erzählte Jens Elvers, einer der Mitorganisatoren der Protestaktion.

Die bisher entstandenen Verluste für die Gemüsebauern bezifferte Sonnleitner für die drei Produkte Gurken, Tomaten und Salat auf etwa 65 Millionen Euro in Deutschland. Auf europäischer Ebene liege der Schaden insgesamt zwischen 500 und 600 Millionen Euro.

Russland hebt Import-Stopp auf

Inzwischen hat Russland der Aufhebung des Importstopps für Gemüse aus der EU zugestimmt. Das gab EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Freitag nach einem zweitägigen EU-Russland-Gipfel in der Stadt Nischni Nowgorod bekannt. Er sei sehr zufrieden, diese Einigung in den Gesprächen mit der russischen Führung erzielt zu haben.

Ein Datum für die Aufhebung des Importstopps nannte Barroso nicht, doch werde die EU am Freitag oder Samstag den russischen Behörden die dafür nötigen Zertifikate übermitteln. Die russischen Behörden hatten das Embargo Ehec am 2. Juni verhängt, was in Brüssel heftigen Protest hervorgerufen hatte.

Kritik am deutschen Krisenmanagement war zuvor aus anderen EU-Ländern laut geworden: Europas Gemüse-Bauern seien in Schwierigkeiten geraten, weil Deutschland "mitunter leichtfertig" Warnungen herausgegeben habe, hatte die belgische Landwirtschaftsministerin Sabine Laruelle bemängelt. EU-Gesundheitskommissar John Dalli hatte Anfang der Woche angesichts des Verdachts auf spanische Gurken vor vorschnellen Schlussfolgerungen zum möglichen Ursprung der Ehec-Epidemie gewarnt. Solange es keine wissenschaftlichen Belege gebe, sollten nationale Behörden keine möglichen Infektionsquellen angeben, sagte er. Wenige Tage später allerdings lobte er die Bemühungen der Deutschen in der EHec-Krise. Positiv fiel auch Dallis Reaktion an diesem Freitag aus: Ein Sprecher des Gesundheitskommissars begrüßte, dass es nun mehr Klarheit über die Ursache der Epidemie gebe.

Derweil hat die Warnung vor spanischen Gurken ein juristisches Nachspiel für die Hamburger Gesundheitsbehörde: Als Vertreter des spanischen Obst- und Gemüsehändlers Frunet reichte die Kanzlei Lindenpartners am Donnerstag beim Verwaltungsgericht der Hansestadt Eilantrag auf Akteneinsicht ein. Diese habe die Behörde bis zuletzt verweigert, teilte die zuständige Rechtsanwältin mit. Am Ende könnte es um Schadenersatz in Millionenhöhe gehen.

Ein Sprecher des Hamburger Verwaltungsgerichts bestätigte, dass der Antrag eingegangen sei der Antrag sei am Donnerstagabend per Fax eingegangen. Nun werde der Gesundheitsbehörde eine Frist gesetzt, um sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Frunet ist ein großer Öko-Produzent und Händler in der Provinz Málaga. Nachdem die Hamburger Gesundheitsbehörde über Ehec-Funde auf spanischen Gurken informiert hatte, sei das Geschäft eingebrochen, erklärte die Anwältin.

© dpa/AFP/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: