Rassismus:Seehofers Ansatz

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) tritt weiter entschieden gegen eine Rassismus-Studie bei der Polizei ein. Er hat andere Pläne.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Entdeckung rassistischer Chatgruppen bei der Polizei reißt nicht ab, der Bundesinnenminister aber will nicht abweichen von seinem Kurs. Eine Studie, die sich nur mit der Polizei und dem Vorwurf des strukturellen Rassismus beschäftige, werde es mit ihm nicht geben, hat Horst Seehofer (CSU) am Wochenende erneut betont. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei beauftragt, einen Bericht über Extremismus in den Sicherheitsbehörden vorzulegen. Dies werde im September passieren. Im Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus hätten Migrantenverbände zudem über Diskriminierung in Jobcentern, bei Behörden oder der Wohnungssuche berichtet. Er sei offen für eine allgemeine Studie über Rassismus in der Gesellschaft.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). (Foto: Felix Zahn/photothek.net/imago)

Rassismus bei der Polizei mituntersuchen, aber nicht in der Hauptsache - so ist Seehofers Botschaft zu verstehen. Auf die Frage, wann mit einer entsprechenden Studie zu rechnen sei und was sie beinhalten soll, reagierte sein Haus am Montag zurückhaltend. "Das Bundesinnenministerium analysiert derzeit, welche Informationen in welchen Bereichen und in welchem Umfang zu erheben sind, um durch geeignete Maßnahmen dieser Form der Menschenverachtung wirksam entgegenzutreten", teilte ein Sprecher mit. Man könne auch nicht beantworten, ob der angekündigte Verfassungsschutzbericht über Extremisten in Sicherheitsbehörden Neues zutage fördern werde oder nur bereits bekannt gewordene Fälle aufliste.

Als gesichert immerhin kann gelten, dass Deutschland seit Jahren aufgefordert wird, rassistisch motiviertes Verhalten in Sicherheitsbehörden zu unterbinden. 2015 zeigte der Menschenrechtskommissar des Europarats sich besorgt über Rassismus in Strafverfolgungsbehörden. Es gebe auch zahlreiche Berichte über Racial Profiling bei der Polizei, also das unerlaubte Kontrollieren von Menschen nur aufgrund ihres Erscheinungsbildes. Eine Expertengruppe der Vereinten Nationen kam 2017 zu dem Schluss, Racial Profiling sei in Deutschland weit verbreitet. In einer Untersuchung hatten 34 Prozent der Befragten mit schwarzer Haut gesagt, sie seien in den letzten fünf Jahren von der Polizei angehalten worden. 14 Prozent glaubten, dies sei nur der Vermutung geschuldet, sie seien Migranten und somit verdächtig.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarates forderte im März 2020, "die Behörden des Bundes und der Bundesländer sollten die Frage des Racial Profiling auf systematische Weise untersuchen und bearbeiten". Der rechtliche Beistand für Rassismusopfer müsse verstärkt werden. Unzureichend seien auch die Antidiskriminierungsgesetze in Bund und Ländern.

Seehofer sieht das anders, eine Studie nur zur Polizei sei ein zu enger Ansatz. Der Bochumer Kriminologe Tobias Singelnstein widersprach ihm am Freitag. Nach der Aufdeckung rassistischer Chats auch in der Polizei von NRW und Mecklenburg-Vorpommern sei eine wissenschaftliche Untersuchung "geradezu elementar", sagte er im WDR5-"Morgenecho". Zwar sei zu begrüßen, dass die Politik nicht mehr von Einzelfällen spreche. Daraus müsse aber der Schluss gezogen werden, dass man es mit strukturellen Problemen zu tun habe.

© SZ vom 22.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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