Raser-Fahrverbote:Straßenverkehrs-Unordnung

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Radarkontrolle am Stadtrand von Bielefeld. (Foto: dpa)

Nach monatelangem Streit können sich Bund und Länder noch immer nicht auf eine Reform der Strafen für Raser einigen. Jetzt schlägt Verkehrsminister Scheuer vor, eine Kommission zu gründen. Es drohen neue Verzögerungen.

Von Markus Balser, Berlin

Der monatelange Streit um eine Bußgeldreform in Deutschland soll von einer eigenen Kommission gelöst werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat im Dauerstreit mit den Ländern um die neue Straßenverkehrsordnung vorgeschlagen, eine Findungskommission einzusetzen. Ein solches Gremium aus Bund- und Ländervertretern sowie Bundestagsabgeordneten habe auch bei der schwierigen Reform des Taximarktes den Durchbruch gebracht, sagte Scheuer. Das Verfahren kann bedeuten, dass die Hängepartie um die Reform noch weitere Wochen oder sogar Monate andauert.

Es geht um eine eigentlich bereits im April 2020 in Kraft getretene Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) und des Bußgeldkatalogs, die deutlich härtere Strafen unter anderem für zu schnelles Fahren vorsieht. So sollten Autofahrer bei Tempoverstößen schneller als bisher den Führerschein verlieren. Ein einmonatiges Fahrverbot sollte bereits verhängt werden, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 Kilometer pro Stunde. Bisher galt das erst bei Überschreitungen ab 31 Kilometer innerorts und 41 Kilometer außerorts. Während viele Landesverkehrsminister das befürworteten, war Scheuer dagegen. Auch Autolobbyverbände hatten gegen die Verschärfung protestiert.

Weil Scheuer andere Verschärfungen zum Schutz von Radfahrern durchsetzen wollte, akzeptierte er aber zunächst diese Forderung der Bundesländer. Der Minister versuchte dann jedoch im Nachhinein, einen eigenen Formfehler im Gesetz dazu zu nutzen, die Raserregeln wieder abzuschwächen. Dabei wollten viele Länder nicht mitmachen. Es entbrannte monatelanger Streit. Die Folge: Der Vollzug des neuen Bußgeldkatalogs wurde wieder außer Kraft gesetzt. Tausende Fahrverbote mussten wieder aufgehoben werden.

In Berlin starben 2020 dreimal so viele Radfahrer wie im Jahr zuvor

Die Länder dringen auf einen Kompromiss. "Wir begrüßen jeden neuen Anlauf, weil wir eine Lösung brauchen", sagt Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Denn derzeit seien die beschlossenen Regelungen zum Schutz von Fußgängern und Radfahrern aufgrund des fehlenden Bußgeldkatalogs nicht durchsetzbar. "Wir sind auch kompromissbereit, aber das erwarten wir auch von allen anderen Beteiligten", warnt Hermann.

Verkehrssicherheitsexperten fordern seit Längerem mehr Engagement der Bundesregierung beim Verhindern von Unfällen. Erst Anfang des Jahres machten Daten klar, dass Deutschland entsprechende Langfrist-Ziele verfehlt: Seit 2011 galt das Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Bis 2019 verringerte sich die Zahl der Verkehrstoten um 24 Prozent. 2019 kamen 3046 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, 2011 waren es noch 4009. Im vergangenen Jahr ging der Verkehr zwar pandemiebedingt zurück. Doch ungefährlicher wurde es auf den Straßen vielerorts nicht. So starben in Berlin 2020 dreimal so viele Radfahrer wie 2019. Unterstützung bekommen die Länder vom Verkehrssicherheitsrat. Das Experten-Gremium wünscht sich härtere Regeln. Nicht angepasste Geschwindigkeit sei eine Hauptursache für Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten. Niemand fahre "mal eben so" 21 oder 26 Kilometer pro Stunde zu schnell. Mit solchen Tempoverstößen gefährde man Menschenleben. "Das sollte sich auch in der Sanktion widerspiegeln."

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