Raqqa:Sieg. Und nun?

Das Schicksal Syriens bleibt auch nach dem Fall der IS-Stadt offen.

Von Moritz Baumstieger

Fast vier Jahre herrschten die Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staates in Raqqa. Fast vier Monate brauchten die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), um die "Hauptstadt des Terrorismus" Haus für Haus zu erobern, wie einer ihrer Sprecher Raqqa nun nannte.

Hier wurden die Anschläge von Paris und Brüssel geplant, von hier lenkten Einflüsterer die Amokfahrer von Nizza und Berlin. Für den IS war Raqqa aber mehr als nur eine Terrorstadt, hier inszenierte er auch Bilder für die Biedermänner des Dschihads: Religionspolizisten ermahnten freundlich zu lax bekleidete Frauen und gingen harsch gegen Händler vor, deren Obstpreise sie für Wucher hielten. Das Kalifat als vermeintliches Paradies auf Erden ist entzaubert, mit Raqqa verliert der IS das letzte Symbol seiner perversen Idee von Normalität.

Die Freude über Raqqas Befreiung trüben nicht nur die wohl Tausenden Toten in den Trümmern. Sorgen bereitet, dass kein Plan für die Zeit danach besteht. Im benachbarten Irak bekriegen sich nach dem Sieg über den IS nun die Kurden und die Zentralregierung. Im zersplitterten Syrien ist die Lage ungleich komplizierter - doch auch hier hat kein regionaler Akteur und keine der Weltmächte die Zeit genutzt, um eine Vision zu entwickeln. Vier Jahre herrschte der IS, vier Monate wurde gekämpft. An das Syrien von morgen dachte in dieser Zeit niemand.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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