RAF:Christian Klar im Herzen des "Schweinesystems"

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Der CDU-Abgeordnete Albert Weiler hält im Plenarsaal des Bundestages ein Bild des früheren RAF-Terroristen Christian Klar. Diesen beschäftigt der Linke-Politiker Dieter Dehm in seinem Bundestagsbüro als Webdesigner. (Foto: dpa)

Soll der frühere RAF-Terrorist im Bundestag arbeiten dürfen? Seine Morde hat er öffentlich nie bereut. Und trotzdem darf man nicht einfach Nein sagen.

Kommentar von Marc Felix Serrao

Christian Klar hat Deutschland bekämpft wie kaum ein Zweiter. Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart lautete 1985 auf neunfachen Mord und elffachen Mordversuch. Jürgen Ponto. Siegfried Buback. Hanns Martin Schleyer. Die Namen der Opfer bleiben eine Mahnung an alle, die glauben, dass dem Land von Linksextremisten keine Gefahr droht.

Darf so einer im Bundestag ein- und ausgehen? Mit dieser Frage befasst sich nun die Mitarbeiterkommission des Ältestenrates, nachdem bekannt wurde, dass der Abgeordnete Diether Dehm von der Linkspartei den heute 63-Jährigen als Webdesigner beschäftigt. Die Antwort fällt nicht leicht.

Genügt ein komisches Gefühl, um Nein zu sagen?

Ein ehemaliger RAF-Terrorist im Zentrum dessen, was er jahrelang als "Schweinesystem" bekämpft hat? Bei der Vorstellung dürfte selbst Freunden der Linkspartei mulmig werden. Aber reicht das? Genügt ein komisches Gefühl, um zu sagen "Du kommst hier nicht rein"? Resozialisierung, sagt die Linke. Mangelnde Reue, sagen die Kritiker. Klar habe nie zu verstehen gegeben, dass ihm seine Verbrechen leid- tun. Doch ohne Reue könne ein Mörder nicht wieder in die Mitte der Gesellschaft aufgenommen werden. Dazu komme, speziell bei Klar, die Frage der Sicherheit.

Klar hat seine Strafe nach mehr als einem Vierteljahrhundert Freiheitsentzug abgesessen, 2008 wurde er entlassen. Wer das Gefängnis verlässt, soll wieder Bürger sein. Der Satz ist keine Lappalie. Er gehört zum Fundament des Rechtsstaats, weil er den alten Rachegedanken ausschaltet.

Das Strafrecht kennt keine Gesinnungsprüfung

Ob Klar seine Taten im Wortsinne abgebüßt hat, weiß nur er selbst. Das einzige Interview über seine Zeit in der RAF stammt von 2001. Damals raunte er Günter Gaus zu, dass Schuld und Reue in dem "politischen Raum", in dem er sich bewege, "keine Begriffe" seien. Tatsächlich kennt das Strafrecht keine Gesinnungsprüfung. Es formuliert keinen Anspruch auf Reue, auch im Strafverfahren gibt es keine Pflicht zur Selbstbezichtigung.

Trotzdem muss ein Mörder wie Klar damit rechnen, dass man ihm nach der Haftentlassung skeptisch begegnet, wenn er sich nie öffentlich von seinem Tun distanziert hat. Und es bleibt die Frage der Sicherheit. Der Bundestag ist nicht irgendein Arbeitsplatz. Er ist, pathetisch gesprochen, das Herz der Demokratie. Praktisch gesprochen, ist er ein Ort, an dem auch die Kanzlerin herumläuft und geheime Unterlagen liegen. Sollte die Sicherheitsüberprüfung ergeben, dass Klar weiterhin Kontakte zu Linksextremisten pflegt - etwa zu seinen flüchtigen Kampfgefährten, die im Juni 2015 einen Geldtransporter überfallen haben sollen -, dann wäre ihm der Hausausweis zu verwehren. Aber eben nur dann.

Ein Bauchgefühl ist kein rechtliches Kriterium - ein politisches natürlich schon. Hat wirklich kein Vertreter der Linken ein Problem mit der Provokation des Abgeordneten Dehm? Damit, dass ein verurteilter Terrorist im Backoffice mitwerkelt? Glauben Grüne und SPD, dass sie mit dieser Partei koalieren und AfD-Politiker zugleich als "Demokratiefeinde" brandmarken können? Diese Antworten stehen aus.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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