Thomas R. alias "Corelli" stand unter besonderem staatlichen Schutz. Dennoch weiß man nicht einmal genau, wann der frühere V-Mann gestorben ist. Irgendwann zwischen dem 2. und 7. April dieses Jahres soll es passiert sein. Corelli war nach dem Ende des NSU enttarnt worden, er bekam eine neue Identität und wurde in ein Schutzprogramm aufgenommen.
Sein überraschender Tod ist ein Politikum. Sogar die Abgeordneten des Bundestags haben sich jetzt damit befasst, im Innenausschuss, in dem Vertreter der Sicherheitsbehörden antreten und über den Fall berichten mussten. Es könnte nicht das letzte Mal gewesen sein.
Die offizielle Todesursache, bestätigt durch eine Obduktion, lautet: unerkannte Diabetes. Ein diabetischer Schock. Thomas R. wurde 39 Jahre alt.
Jahrelang hatte er dem Bundesamt für Verfassungsschutz aus der rechtsradikalen Szene berichtet, der er sich selbst zugehörig fühlte. Er hatte dort viele Kontakte. Mit dem späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos soll er sich in den Neunzigerjahren mindestens einmal ausgetauscht haben. Die Adresse von Thomas R. findet sich auf einer Kontaktliste von Mundlos, die bei einer Razzia 1998 gefunden wurde.
Spitzname "HJ Tommy"
In der Szene trug Thomas R. den Spitznamen "HJ Tommy". Als ihn die Polizei nach dem Ende des NSU dazu befragte, behauptete er, das Kürzel stehe nicht etwa für Hitlerjugend, sondern für "Hallescher Junge". Er sei ja in Halle aufgewachsen.
Von dort aus arbeitete Thomas R. unter dem Decknamen Corelli für den Inlandsgeheimdienst, lieferte beispielsweise Informationen über eine Gruppe des Ku Klux Klan. Später lebte er in Leipzig und schließlich, mit neuer Identität, im Landkreis Paderborn. Dort fand man seine Leiche am 7. April. Ein Verfassungsschützer, der regelmäßig bei ihm nach dem Rechten sehen sollte, soll zuvor länger nichts von Thomas R. gehört haben. R. soll eine Verabredung abgesagt haben; er sei krank und liege im Bett. Einige Tage später fuhr der Beamte zu ihm. Die Rollläden waren heruntergelassen, die Tür von innen verschlossen. Der Vermieter wurde gerufen, die Tür geöffnet - Thomas R. war bereits tot.
Bei der Obduktion soll es keine Hinweise auf irgendeine Fremdeinwirkung gegeben haben. Dennoch hat der Fall Theorien provoziert, auch ganz wilde. Sogar in den Sicherheitsbehörden gibt es allerlei Gerüchte. Zum Beispiel, dass schon einmal ein anderer Informant aus der rechten Szene mit derselben Diagnose tot aufgefunden worden sei.
Thomas R. soll mit rätselhafter CD zu tun gehabt haben
Im NSU-Verfahren hätten die Ermittler Thomas R. gerne erneut als Zeugen vernommen. Erst im März war bei ihnen eine CD aufgetaucht, mit deren Weitergabe Corelli etwas zu tun gehabt haben soll. Die CD, die zunächst den Verfassungsschutz in Hamburg erreicht hatte, trägt den Titel "NSU/NSDAP". Sie enthält zahlreiche Dateien mit rechtsradikaler Propaganda. Erstellt wurde sie vermutlich im Jahr 2006. Damals war der Öffentlichkeit und angeblich auch den Behörden die Existenz einer Terrorgruppe namens NSU überhaupt noch nicht bekannt.
Auf der CD wird nach ersten Erkenntnissen mit einer anderen Symbolik und Sprache gearbeitet als auf den Bekennervideos des NSU. In einem Begleittext der CD ist die Rede von einer Bilddaten-Sammlung des "Nationalsozialistischen Untergrunds der NSDAP (NSU)". Von den NSU-Terroristen ist indes nicht bekannt, dass sie sich als Teil einer Partei verstanden und sie sich direkt auf die NSDAP bezogen hätten.
Auf dem Cover der CD ist eine Pistole zu sehen, die keiner der Waffen entsprechen soll, die bei den NSU-Terroristen gefunden wurden. Dennoch bleibt die Gleichheit des Kürzels NSU sehr auffällig. Die Ermittlungen dazu laufen weiter. Thomas R. kann zur Aufklärung nichts mehr beitragen.