Radikalisierung:Vom Neonazi zum Islamisten

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Ein Extremist steht vor Gericht, weil er offenbar im Namen des Islam Polizisten töten wollte. Allerdings hat er im Internet auch deutschnationale Parolen verbreitet und gegen Muslime gehetzt.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Es gab offenbar eine Zeit, da benahm sich der mutmaßliche Islamist Sascha L. wie ein Neonazi. Videos und Posts deuteten auf rechtsradikale Gesinnung hin, im Internet zog dieser junge Mann dem Vernehmen nach auch gegen Muslime zu Felde und verbreitete deutschnationale Parolen. Seit Mittwoch allerdings steht er nun vor dem Landgericht Braunschweig, weil er Polizisten oder Bundeswehrsoldaten töten wollte und der islamischen Terrormiliz IS nahestand.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle wirft dem 26-Jährigen vor, Sprengfallen gebaut und damit lebensbedrohliche Angriffe auf Polizeibeamte geplant zu haben. Fahnder entdeckten die Apparate in dem Zimmer im Northeim in Niedersachsen, in dem der Angeklagte wohnte. Die Behörden gehen davon aus, dass er sich das Material für diesen aus der Ferne zündbaren Sprengstoff Ende 2016 besorgt und die explosive Anlage Anfang 2017 auch getestet haben soll.

Sascha L. gestand die Anschlagspläne gleich zu Prozessbeginn. Allerdings habe das Vorhaben zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Februar 2017 schon nicht mehr bestanden, weil ihm klar geworden sei, dass es sinnlos sei. Die Braunschweiger Staatsschutzkammer wirft Sascha L. die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdeten Straftat und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz vor. Als mögliche Unterstützer müssen sich ein weiterer Deutscher, ein Afghane und ein Türke im Alter von 21, 27 und 28 Jahren verantworten. Ihnen drohen Haftstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Wie also wird einer vom Neonazi zum Salafisten, der im Namen des Islam uniformierte Deutsche ermorden wollte? Ungefähr 2014 war Sascha L. konvertiert und soll sich schnell radikalisiert haben, vermutlich unter Einfluss im Netz. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Extremist kurzerhand die Farbe wechselt und seinen Hass auf den Staat oder die Gesellschaft mit anderen Motiven als vorher fortsetzt. Nach einem Attentat sollten nach dem ursprünglichen Plan anscheinend Bekennervideos veröffentlicht werden. Gefunden wurden unter anderem Chemikalien und elektronische Bauteile sowie weitere Beweismittel. Die Ermittler gehen davon aus, dass der IS-Sympathisant Sascha L. von mindestens zwei Mitbeschuldigten bestärkt wurde, der Afghane und der Türke sollen ihm auch Geld überwiesen haben. Die drei sitzen in Untersuchungshaft. Auf freiem Fuß ist bisher der 21-jährige Deutsche, der als Helfer gilt. Bei ihm besteht nach Ansicht der Justiz keine Gefahr von Flucht und Verdunkelung. Insgesamt hat das Gericht 14 Verhandlungstage bis Mitte Dezember angesetzt, ungefähr 30 Zeugen und Sachverständige sind geladen. In diesen Wochen werden auch die politischen Verbindungen zu klären sein - und die Frage, warum ein Rechtsradikaler zum mordbereiten Islamisten werden konnte.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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