Spanien:Kataloniens Regierungschef wird des Amtes enthoben

Der katalanische Regionalpräsident Quim Torra muss seinen Posten räumen. (Foto: AP)

Quim Torra habe "hartnäckig und uneinsichtig" gegen Neutralitätsvorgaben der Wahlkommission verstoßen, urteilt das Oberste Gericht in Madrid. Beobachter befürchten eine neue Eskalation im Katalonienkonflikt.

Der separatistische Regierungschef der spanischen Konfliktregion Katalonien, Quim Torra, wird wegen Ungehorsams des Amtes enthoben. Das Oberste Gericht Spaniens (TSJ) bestätigte in Madrid ein entsprechendes Urteil des katalanischen Oberlandesgerichts vom vergangenen Dezember, wonach der 57-Jährige eineinhalb Jahre lang kein öffentliches Amt bekleiden darf.

Torra hatte sich vor den spanischen Parlamentswahlen vom 28. April vergangenen Jahres geweigert, am Amtssitz seiner Regierung in der katalanischen Hauptstadt Barcelona und an anderen öffentlichen Gebäuden Symbole der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zu entfernen, obwohl die Wahlkommission dies angeordnet hatte. Unter anderem wurde auf Plakaten die Freilassung von Separatisten gefordert, die als "politische Gefangene" bezeichnet wurden.

Konflikt um Unabhängigkeit
:Spaniens Wahlkommission setzt katalanischen Regionalchef Torra ab

Die Entscheidung wird mit dem Verhalten Torras im Wahlkampf begründet. In einem weiteren Beschluss stellt sich die Wahlkommission gegen eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Das Oberste Gericht gelangte der spanischen Zeitung El País zufolge zu der Ansicht, dass Torra "hartnäckig und uneinsichtig" den Vorgaben der Wahlkommission nicht gehorcht habe, die für die Gewährleistung der Neutralität staatlicher Behörden zuständig ist.

Beobachter befürchten Verschärfung des Katalonienkonflikts

Das Urteil sei einstimmig beschlossen worden, teilte das Gericht in Madrid mit. Außerdem wird Torra eine Geldstrafe von 30 000 Euro auferlegt. Der Separatistenführer selbst hatte beim Obersten Gericht Berufung eingelegt.

Beobachter befürchten, dass diese Entscheidung mitten in der Corona-Krise und drei Jahre nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 zu einer neuen und gefährlichen Eskalation des Katalonienkonflikts führen wird.

Nach der Veröffentlichung des Urteils im spanischen Amtsblatt und der gerichtlichen Mitteilung muss Torra das Amt des regionalen Ministerpräsidenten an seinen bisherigen Vize, Pere Aragonés, abtreten. Das wird nach Medienberichten innerhalb der nächsten sieben Tagen geschehen. Es gilt als sicher, dass Aragonés anschließend für Anfang 2021 Neuwahlen ausrufen wird.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungSpanien
:Die schwere Last des Regimes

Auch 45 Jahre nach dem Tod Francos ist Spanien eine Konfrontationsgesellschaft, in der Politikern die Bereitschaft zu Kompromissen fehlt. Dass sich damit keine Probleme lösen lassen, zeigt sich auch in der Corona-Krise.

Kommentar von Thomas Urban

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: