Prozess:"Szenetypisches Verhalten"

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André E. wurde in Zwickau wegen Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe verurteilt. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Ein Gericht in Zwickau verurteilt den mutmaßlichen NSU-Unterstützer André E. wegen Körperverletzung und Bedrohung. Die Staatsanwaltschaft rätselt über seine Verteidigungsstrategie.

Von Wiebke Ramm, Zwickau

André E. hat offenbar Spaß an dem Medienrummel, den er verursacht hat. Der 37-Jährige sitzt schon 40 Minuten vor Verhandlungsbeginn grinsend vor dem Saal 1 des Amtsgerichts Zwickau. Er ist ohne Anwalt gekommen. Gerichtserfahren ist er mittlerweile gewohnt.

Seit vier Jahren muss sich André E. im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München wegen Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung verantworten. Er soll den mutmaßlichen NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geholfen haben, unentdeckt zu bleiben. In Zwickau ist er am Montag wegen Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sein Verhalten vor Gericht ist in beiden Fällen identisch: André E. schweigt.

Er sei gelernter Maurer, Berufskraftfahrer und Fachinformatiker, sagt er nur. Zurzeit lebe er von Arbeitslosengeld II, "weil ich ja dienstags bis donnerstags im NSU-Prozess bin". Dann folgt ein kurzer Prozess. Innerhalb einer halben Stunde wird die Anklage verlesen, das Opfer vernommen, das Plädoyer gehalten und das Urteil gesprochen: 52 Tagessätze à 13 Euro.

Richter Andreas Nahrendorf sieht es als erwiesen an, dass André E. am 16. Mai 2016 in einem Parkhaus in Zwickau einen damals 18-Jährigen geschlagen und ihn weiter mit Faustschlägen auf den Kopf und Tritten in die Rippen malträtiert hat, als der Jugendliche schon am Boden lag. Erst nach Aufforderung seines damals 14-jährigen Sohnes ließ André E. von seinem Opfer ab. Zum Abschied bedrohte André E. den 18-Jährigen noch. Das Opfer erlitt Prellungen und Blutergüsse an Kopf, Armen und Beinen. Vor Gericht berichtet der mittlerweile 19-Jährige, er und ein Freund seien in dem Parkhaus zuvor auf den Sohn von André E. getroffen. "Er hat uns beschimpft und gesagt, dass wir dort nichts verloren haben und wieder gehen sollen." Er habe den Sohn daraufhin geschubst. Dann sei er weggefahren. Eine gemeinsame Bekannte habe später angerufen: André E. wünsche eine Aussprache. Zurück im Parkhaus habe E. ihn sofort angegriffen. "Ich habe immer nur gesagt, dass er aufhören soll." Schließlich habe André E. ihn bedroht. "Wenn ich seinen Sohn noch einmal anfasse, bringt er mich um." "Haben Sie die Drohung ernst genommen?", fragt der Richter. "Ich habe das ernst genommen, ja."

Das Verfahren in Zwickau habe nichts mit dem NSU-Prozess zu tun, betont Staatsanwalt Jörg Rzehak in seinem Plädoyer. "Eines sei mir trotzdem erlaubt zu sagen." Es habe die Überlegung gegeben, das Verfahren einzustellen, weil André E. im NSU-Prozess eine viel höhere Strafe erwarte. "Ich habe mich nicht darauf eingelassen", sagt Rzehak. "Die Art und Weise, wie Herr E. meinte, den Geschädigten disziplinieren zu müssen", kenne er von Mitgliedern der rechten Szene. Er nennt es "szenetypisches Verhalten". Ein Verhalten, das der Staat nicht akzeptieren könne.

André E. hatte zuvor einen Strafbefehl über 40 Tagessätze à 15 Euro nicht akzeptiert. Hätte er es getan, wären ihm der Prozess und die höhere Strafe erspart geblieben. Dass er den Strafbefehl nicht annahm, deutet eigentlich darauf hin, dass er den Vorwurf bestreitet. "Warum er dann heute nichts sagt, verstehe ich nicht", sagt Rzehak. Er forderte eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Das Gericht aber hält E. zugute, dass er bislang keine Vorstrafen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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