Prozess um 274.000 Euro:Grünenpolitiker veruntreute Parteigeld für Prostituierte

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Die Anklage listet 267 Fälle auf: Fast zwei Jahre lang soll der frühere Schatzmeister der Brandenburger Grünen Geld der Partei in die eigene Tasche gesteckt haben - insgesamt mehr als eine Viertelmillion Euro. Er habe damit Prostituierten helfen wollen, sagt er vor Gericht.

Der Schock bei den Brandenburger Grünen war groß, als sie Anfang vergangenen Jahres ihre Parteikonten prüften. Schatzmeister Christian Goetjes hatte offenbar systematisch Geld von den Konten abgezweigt - insgesamt etwa eine Viertelmillion Euro. Seine Parteifreunde merkten den Betrug erst, als Goetjes überraschend alle Ämter niederlegte und abtauchte. Wenig später wurde er gefasst. Nun muss er sich vor dem Brandenburger Landgericht verantworten.

Zum Prozessauftakt gestand der Angeklagte, Parteigelder veruntreut zu haben. Als Motiv nannte er die Beziehung zu zwei Prostituierten, denen er geholfen habe. Er habe die Frauen jeweils als Freier in Berlin kennengelernt und sei mit ihnen eine private Beziehung eingegangen. "Ich bedaure das und möchte mich entschuldigen für den finanziellen und politischen Schaden", sagte Goetjes.

Fast zwei Jahre lang habe er Gelder von Parteikonten auf Privatkonten überwiesen sowie Bargeld aus der Parteikasse genommen, erklärte der 34-Jährige. Laut Anklage hat Goetjes von Januar 2009 bis Februar 2011 knapp 274.000 Euro veruntreut. Staatsanwalt Günter Handke listete 267 Fälle auf. Dafür soll der 34-Jährige Rechnungen gefälscht, Zahlungsgründe erfunden und Empfänger fingiert haben.

Nach eigenen Angaben hat er 2009 erstmals Gelder veruntreut, um seiner damals heroinabhängigen Freundin beim Entzug zu helfen. Mit dem Geld habe er ihr eine Therapie im Ausland finanziert, die von der Krankenkasse nicht übernommen worden sei. Die Identität der Frau wollte Goetjes nicht verraten.

"Mein Handeln ist schwer nachvollziehbar"

Kaum war diese Beziehung gescheitert, kam er mit einer anderen Prostituierten zusammen. Als die Bulgarin Schulden hatte und bedroht wurde, so der Angeklagte, zahlte er erneut - mit dem Geld aus der Parteikasse. In dieser Beziehung sei er selbst das Betrugsopfer gewesen, sagte er. Die Frau habe ihm vorgegaukelt, Geld für den Krankenhausaufenthalt ihrer Schwester zu brauchen und von einem privaten Kreditgeber erpresst zu werden. Insgesamt habe er ihr 200.000 Euro gegeben, sagte Goetjes. Anschließend sei sie abgetaucht.

Rund 206.000 Euro soll Goetjes laut Anklage von Konten der Landespartei, des Kreisverbandes Oberhavel und des Vermögensverwaltungsvereins der Partei auf seine Privatkonten transferiert haben. Außerdem soll er privat veranlasste Rechnungen in Höhe von knapp 14.000 Euro über die Parteikonten beglichen und 54.200 Euro in bar abgehoben haben. Goetjes räumte alle Vorwürfe im Wesentlichen ein.

"Ich muss gestehen, dass mein Handeln auch für mich selber heute schwer nachvollziehbar ist", sagte er vor Gericht. Vor Prozessbeginn hat Goetjes sich zivilrechtlich mit den Grünen auf 65.000 Euro Schadenersatz geeinigt. Nach seinen Angaben hat er bislang 35.000 Euro überwiesen; nun soll er monatlich 1000 Euro abstottern.

Die Partei hat zudem ihre Konsequenzen gezogen: Ein strenges Vier-Augen-Prinzip soll künftig derartige Fälle ausschließen.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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