Provokationen:Scharf und vage

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War Trumps Warnung an Nordkorea nur das Getöse eines Angebers oder war sie ernst gemeint? In jedem Fall ist sie beunruhigend. Sogar Washingtons Falken kritisieren ihn dafür.

Von Hubert Wetzel

Am Dienstag konnte man Donald Trump erleben, wie er diese Sätze sagte: "Nordkorea sollte den Vereinigten Staaten nicht noch einmal drohen. Sie werden sonst ein Feuer und einen Zorn zu spüren bekommen, wie die Welt es noch nicht gesehen hat." Gleichzeitig konnte man am Dienstag auch den US-Präsidenten erleben, der diese Sätze sagte: "Nordkorea sollte den Vereinigten Staaten nicht noch einmal drohen. Sie werden sonst ein Feuer und einen Zorn zu spüren bekommen, wie die Welt es noch nicht gesehen hat."

Das Problem: Donald Trump ist der US-Präsident. Und die Welt kann sich nun aussuchen, für was sie diese Sätze halten will: für das Getöse eines notorischen Angebers, der immer in Superlativen redet; oder für eine ernsthafte Drohung des Präsidenten und Oberbefehlshabers der Welt- und Atommacht Amerika mit einem massiven Militärschlag gegen Nordkorea.

Schon vor knapp 20 Jahren sprach Trump von einem Präventivschlag gegen das Land

Beide Deutungen sind beunruhigend. War die Warnung Richtung Pjöngjang nur typisches Trump'sches Gepolter, dann hat der Präsident völlig unnötig Benzin in einen Konflikt gegossen, der ohnehin lichterloh brennt. Normalerweise ist es Nordkoreas stalinistischer Diktator Kim Jong-un, der den USA und Südkorea mit Feuer und Vernichtung droht. Dass Trump nun auf diesem martialischen Niveau antwortet, stärkt nicht das Vertrauen, dass er ein kühler Krisenmanager ist. Trump hat sein Leben lang nach der Devise gehandelt, dass jeder Angriff mit doppelter Härte vergolten werden muss, zumindest rhetorisch. Als er noch Immobilienhändler in New York war und ein Liebling der Klatschpresse, war diese Krawallstrategie eher amüsant als gefährlich. Nun, da Trump es in Person von Kim Jong-un mit einem skrupellosen Gewaltherrscher zu tun hat, der über Atomwaffen und Langstreckenraketen verfügt, steht weit mehr auf dem Spiel.

Das Weiße Haus bemühte sich am Mittwoch, zumindest Trumps apokalyptische Begrifflichkeit zu dämpfen. "Feuer und Zorn", diese Formulierung habe Trump improvisiert, sie sei keine geplante und ausgefeilte Wortwahl gewesen, hieß es. Ungeachtet dessen ist es aber denkbar, dass Trumps scharfe Worte nicht nur Gepluster waren, sondern im Kern tatsächlich eine politisch-militärische Absichtserklärung des Präsidenten: Die USA werden sich von Nordkorea nicht weiter durch Raketen- und Atomwaffentest bedrohen lassen. Sollte Kim Jong-un weitermachen, dann wird Amerika darauf militärisch reagieren. Schon vor knapp 20 Jahren hatte Trump in einem Interview wissen lassen, dass er notfalls einen Präventivschlag gegen Nordkorea befürworten würde. Was das zur Folge haben könnte, ist den meisten Militärexperten klar - nicht zuletzt denen im Pentagon, das Zehntausende Soldaten in Südkorea stationiert hat. Nordkorea könnte bereits mit konventionellen Waffen einen verheerenden Gegenschlag gegen Südkorea führen. Genau das ist der Grund, warum bisher alle amerikanischen Regierungen zwar stets betont haben, die militärische Option liege auf dem Tisch, aber insgeheim entschlossen waren, sie bloß nicht anzurühren. Trump scheint in dieser Hinsicht weniger skrupulös zu sein. Das mag auch daran liegen, dass Nordkorea in den sechs Monaten seit seinem Amtsantritt die Arbeit an einsatzfähigen Nuklearwaffen und die Provokationen gegenüber Amerika erheblich verstärkt hat. In den vergangenen Monaten hat Pjöngjang Langstreckenraketen getestet, die US-Gebiet erreichen können. Zudem verfügt das Regime angeblich über einen Nuklearsprengkopf, der klein genug ist, um ihn auf solche Geschosse zu montieren. Die USA sehen darin wohl zu Recht eine neue Qualität der Bedrohung, die auch vernünftige Sicherheitspolitiker in Washington für sehr brisant halten.

Als Trump sein Amt antrat, hatte er zunächst gehofft - und wohl aus Peking auch zugesagt bekommen -, dass China mehr Druck auf Pjöngjang ausüben wird. Ohne Pekings Hilfe könnte Kims Regime nicht überleben. China hat zwar auch die Nase voll von dem provokanten Verbündeten und macht bei dessen Bestrafung und Isolierung durch UN-Sanktionen mit. Aber Peking will nicht, dass Kim stürzt. Insofern sind dem Druck, den es ausübt, Grenzen gesetzt. Das musste Trump in den vergangenen Wochen erfahren. Nachdem er China zuerst überschwänglich für seine Hilfsbereitschaft bei der Eindämmung Nordkoreas gelobt hatte, klagte er vor Kurzem, wie enttäuscht er jetzt von Peking sei.

Wie nahe die USA an einem Militärschlag gegen Nordkorea sind, ist freilich schwer zu sagen. Trumps Warnung war ja ebenso scharf wie vage. Aus seinen Sätzen erschließt sich nicht präzise, welche Handlung Nordkoreas eine militärische Antwort der USA auslösen würde. Er sprach nur allgemein von weiteren Drohungen, ließ jedoch offen, ob er damit neue Raketen- und Sprengkopftests meinte oder auch das übliche kriegerische Propagandagetöse aus Pjöngjang. Die nordkoreanischen Staatsmedien berichteten postwendend, Pjöngjang erwäge, die westpazifische Insel Guam unter Beschuss zu nehmen. Das Eiland ist US-Territorium, das amerikanische Militär hat dort wichtige Stützpunkte. Das war zweifellos eine Drohung, die aber von Trump unbeantwortet blieb.

Der Präsident solle jetzt nicht versuchen, seine "Männlichkeit" zu beweisen, sagt ein Ex-Minister

Und in Wahrheit gibt es in Washington, bei den amerikanischen Bürgern und unter Amerikas Verbündeten keinerlei Appetit auf einen Krieg mit Nordkorea. In der US-Hauptstadt findet sich kaum ein Politiker von Rang, der Trump Ton unterstützte. Im Gegenteil: Selbst Falken wie der republikanische Senator John McCain mahnten den Präsidenten, keine leeren Drohungen auszustoßen und so den Konflikt anzuheizen. Ähnlich äußerten sich etliche ehemalige Verteidigungsminister. Sie warnten Trump davor, aus dem Konflikt einen persönlichen Streit mit Kim Jong-un zu machen, in dem der US-Präsident - wie der frühere Minister Leon Panetta es ausdrückte - "seine Männlichkeit" beweisen wolle.

Andere Außenpolitiker wiesen auf das offensichtliche und altbekannte Dilemma hin, in das sich Trump mit derart scharfen Äußerungen manövriere. Sie erinnerten an Präsident Barack Obama, der einst Syriens Machthaber Baschar al-Assad vor dem Einsatz von Giftgas gewarnt und dann, als diese "rote Linie" überschritten wurde, nicht militärisch reagiert hatte. Das habe der Glaubwürdigkeit Obamas und der USA geschadet. Je heftiger jetzt die Drohungen seien, die Trump an Nordkorea richte, desto größer werde aus Gründen der Glaubwürdigkeit und des Prestiges der Druck, später auch zuzuschlagen - zumal Trump kaum etwas so hasst, wie als schwach oder lächerlich zu gelten.

Man könnte es auch so sagen: Egal, wie man Trumps Satz nun interpretiert - Donald Trump hat den US-Präsidenten in eine sehr gefährliche Lage gebracht.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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