Programm der Piratenpartei:Piraten streiten über ihren Kurs

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Auf Richtungssuche: Die Piratenpartei will sich erstmals ein umfassendes Programm geben - doch viele Mitglieder lehnen Vorgaben und Strukturen ab.

Michael Bartmann

Das Internet und die Bürgerrechte sind ihre Kernthemen, zur Finanz- oder Gesundheitspolitik wussten die Mitglieder der Piratenpartei bisher jedoch wenig zu sagen. In Nordrhein-Westfalen soll das nun anders werden.

Auf dem Weg hin zu einer klassischen Partei: Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen stimmt über ein umfassendes Wahlprogramm ab. (Foto: Foto: dpa)

Wenige Monate vor der Landtagswahl stimmten die Piraten auf einem Landesparteitag über ein umfassendes Wahlprogramm ab, mit dem sie in den Landtag einziehen wollen. Doch eine Erweiterung des Programmes ist innerhalb der Partei umstritten.

Nach dem Überraschungserfolg bei der Bundestagswahl wollen viele Piraten ihre Partei weiterentwickeln. Das Programm für die NRW-Wahlen im Mai ist weit mehr als ein beliebiges Interessenpapier von Internet-Freaks. Es enthält Positionen zur Bildungspolitik, zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Verbraucherschutz, Gesundheit oder Umweltpolitik.

Doch das Modell einer klassischen Partei mit umfassendem Programm und festen organisatorischen Strukturen lehnen viele Piraten ab. Einige Mitglieder plädieren sogar dafür, sich wieder aufzulösen, sobald man einige Kernziele durchgesetzt habe.

Vor einem Jahr hatte die Partei noch weniger als 1000 Mitglieder, inzwischen sind es fast 12.000, das Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren. Die Parteiführung will auf diese Entwicklung reagieren.

"Wir müssen die Verwaltung neu organisieren", sagt Andreas Popp, stellvertretender Bundesvorsitzender der Piratenpartei. "Bei zunehmender Größe wird der gewollte basisdemokratische Aufbau immer schwieriger." Festere Strukturen zu schaffen sei eine notwendige Gratwanderung, genauso wie das Nachdenken über das zukünftige Programm.

Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen ist der erste, der sich für den Weg hin zu einer klassischen Partei entschieden hat. "Es gilt, jetzt erst einmal alles dem Landtagswahlkampf unterzuordnen. Aber das Prinzip Basisdemokratie wird bleiben", sagt Rainer Klute, Landespressesprecher der Piratenpartei in NRW.

Die einzelnen Verbände sollen unabhängig von der Bundesspitze entscheiden, was sie in ihre Programme aufnehmen wollen, und was nicht. Im Landesverband Bayern, dem größten bundesweit, läuft derzeit eine Mitgliederbefragung über den zukünftigen Kurs der Partei und ihre inneren Strukturen.

Die Piraten, die sich wöchentlich zu ihren Stammtischen treffen, sind meist junge Leute, Studenten und Schüler. Sie diskutieren über Google, über Verhaltensregeln in Internetforen oder über die Gestaltung neuer Online-Plattformen für ihre Kampagnen. In politischer Parteiarbeit sind sie kaum erfahren. Und nur in ihren Kernthemen werden sie von anderen Parteien ernst genommen.

Insbesondere die Vorschläge zum Urheberrecht halten Experten nicht für umsetzbar. Auch die Piratenpartei kann wohl am Schutz des geistigen Eigentums in der Verfassung nichts ändern. Parteienforscher Werner Weidenfeld vom Centrum für angewandte Politikforschung in München traut den Piraten dennoch zu, sich mit ihren Themen dauerhaft zu etablieren.

Gerade ihr sehr spezielles Programm mache sie zu einer "Lebensgefühl-Partei" für eine ganze Generation. "Ein umfassendes Programm brauchen die Piraten nicht, das könnte ihnen mehr schaden als nützen", sagt der Politikwissenschaftler Weidenfeld.

© SZ vom 18.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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