Profil:Wladimir Litwinenko

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(Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Der Prüfer von Putins Doktorarbeit ist heute überraschend Milliardär.

Von Julian Hans

Hochschulkarrieren sind gewöhnlich kein Weg zum Reichtum. Mit Fleiß, Glück und Beziehungen landen deutsche Professoren vielleicht in der Gehaltsgruppe B6. Selbst wenn sie dann ihre 90 000 Euro im Jahr mit Nebenaufträgen aufstocken - ein Vermögen wie das von Wladimir Litwinenko bleibt jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Laut einem Bericht der russischen Wirtschaftszeitung Wedomosti hält der Rektor der staatlichen Bergbau-Universität in Sankt Petersburg Anteile im Wert von einer Milliarde Dollar an dem russischen Unternehmen Fosagro, einem der größten Düngemittelhersteller der Welt. Wie genau der 62-Jährige in den Besitz der ersten Aktien gekommen ist, darüber gibt es unterschiedliche Versionen.

Sicher ist nur, dass er 1997 als Vorsitzender des Prüfungsausschusses die Doktorarbeit von Wladimir Putin abgenommen hat. Sie trug den Titel "Strategien zur Planung der Reproduktion der Mineral- und Nährstoffbasis der Region unter den Bedingungen sich formierender Marktverhältnisse" und war über weite Strecken aus einem 20 Jahre alten Lehrbuch amerikanischer Ökonomen abgeschrieben.

Litwinenko hat es aus einfachen Verhältnissen ganz nach oben geschafft. Sein Vater war Schmied, seine Mutter arbeitete in einer Kolchose. Er besuchte eine Berufsschule und das Institut für Bergbau in Leningrad. Nur zwölf Jahre nach seinem Abschluss wurde er Rektor der mittlerweile eigenständigen Hochschule.

Den heutigen russischen Präsidenten habe er einst in der Petersburger Stadtverwaltung kennengelernt, erinnert sich seine Tochter Olga Litwinenko. Putin war dort damals für wirtschaftliche Außenbeziehungen zuständig, jede Zusammenarbeit mit Unternehmen mussten die Hochschulen sich dort genehmigen lassen. Zwischen den beiden Männern entstand ein Vertrauensverhältnis. Als Putin im Jahr 2000 erstmals für das Amt des Präsidenten kandidierte, machte er den Hochschulrektor zum Chef seines Wahlkampfteams. Auch bei den Wahlen 2004 und 2012 hatte Litwinenko den Posten inne. Kreml-kritische Medien spekulieren, dass es sich bei den Milliarden-Anteilen nicht um seinen Privatbesitz handele, sondern um eine weitere "Brieftasche Putins" - ähnlich wie im Fall des Cellisten Sergej Roldugin.

Fosagro war 2003 im Besitz der Menatep-Gruppe des Oligarchen Michail Chodorkowskij. Als Menatep 2003 unter Druck geriet und Chodorkowskij verhaftet wurde, kaufte das Management Menatep die Anteile ab. Die neuen Eigentümer hätten dann ihren Vater an Bord geholt, um ihre Loyalität gegenüber Putin zu beweisen, glaubt Olga Litwinenko. Tatsächlich ließen die Behörden ihre Vorwürfe gegen das Unternehmen bald darauf fallen.

Die Tochter liegt seit Jahren im Streit mit dem Vater und ist nach Polen emigriert. Vergangene Woche gab sie bekannt, sich gegen Putin engagieren zu wollen - ausgerechnet in der Bewegung Open Russia von Chodorkowskij.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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