Bis vor einer Woche bestand Victorina Morales' Alltag darin, ja nicht aufzufallen. Die 45-Jährige lebt als illegale Einwandererin in den USA, eine von 12 Millionen Personen ohne gültige Papiere, in ständiger Gefahr aufzufliegen und abgeschoben zu werden. Dass Morales nun trotzdem an die Öffentlichkeit getreten ist, dass sie ihre Geschichte erst der New York Times und dann fast allen großen TV-Sendern erzählt hat, ist Donald Trump geschuldet. Dem Mann, dem sie die vergangenen fünf Jahre das Bett gemacht und die Unterhosen gewaschen hat.
Morales kam 1999 aus Guatemala in die USA, nach einer langen Reise mit dem Bus und zu Fuß. An der Grenze kontrollierte sie niemand. Sie zog nach New Jersey, wo sie sich als Putzfrau durchschlug. Dann fand sie eine Stelle als Zimmermädchen in Trumps Golfklub in Bedminster, eine gute Stunde außerhalb von Manhattan. Es ist ein exklusives Anwesen, die Eintrittsgebühr kostet angeblich bis zu 300 000 Dollar. Trump verbringt dort auch als Präsident noch viel Zeit - 70 Tage seit seinem Amtsantritt. In Bedminster bewohnt er eine zweistöckige Villa. Dort arbeitete Morales: Gemeinsam mit einer Kollegin reinigte sie die Zimmer und Toiletten der Villa, sie wusch und bügelte Trumps Kleider und Bettlaken, sie säuberte seine Golf-Trophäen aus Kristallglas.
Trump sei sehr anspruchsvoll, erzählte Morales. Mit dem Finger habe er jeweils geprüft, ob da noch Staub liege. Gleichzeitig sei Trump großzügig gewesen. Wenn er mit Morales' Arbeit zufrieden war, steckte er ihr jedes Mal einen größeren Schein zu, mal 50, mal 100 Dollar. Und einmal, als er sah, wie sich die gerade einmal 1,50 Meter große Frau an einem hohen Fenster abmühte, habe er selbst nach dem Putzlappen gegriffen. Als sie auf seine Frage antwortete, woher sie stamme, soll Trump gesagt haben: "Leute aus Guatemala arbeiten sehr hart."
Doch da war eben auch die andere Seite von Trump, seine Reden in der Öffentlichkeit. Seine Kandidatur für die Präsidentschaft hatte er mit einer Tirade gegen illegale Einwanderer begonnen, von denen die meisten Kriminelle und Vergewaltiger seien. Im Weißen Haus wurden seine Angriffe sogar noch schärfer. Morales bekam das alles mit - und es machte sie wütend. So wütend, dass sie nun an die Medien trat. Vielleicht habe Trump nicht gewusst, dass sie mit gefälschten Papieren für ihn arbeitete, sagte Morales. Einer ihrer Vorgesetzten habe ihr geholfen, die Dokumente zu besorgen. Aber sie sei damit bei Weitem nicht die Einzige in Trumps Golfklub, es gebe mehrere Angestellte, die illegal in den USA seien. "Wir haben die Beschimpfungen satt", sagte sie der New York Times. "Wir schwitzen, um ihm jeden Wunsch zu erfüllen, und müssen die Erniedrigungen ertragen." Morales berichtet außerdem, wie Trumps politische Reden im Golfklub nachhallten: In letzter Zeit hätten einige Vorgesetzte sie als "dumme Illegale" bezeichnet. Eine Person sei ihr gegenüber sogar handgreiflich geworden.
Mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit hat Morales die Heuchelei entlarvt, die viele Migranten in den USA erleben. Ohne die Einwanderer würde die US-Wirtschaft nicht funktionieren - doch dass Millionen von ihnen ohne gesetzlichen Schutz leben, nimmt die Politik hin. Im Fall von Trump kommt hinzu, dass er stets behauptet hatte, dass in seinen Unternehmen "kein einziger Illegaler" arbeite. Dabei war auch sein Hochhaus in New York von polnischen Schwarzarbeitern hochgezogen worden, wie ein Gerichtsverfahren ergab.
Wie es für Morales weitergeht, ist nicht klar. Zurück in den Golfklub wird sie nicht gehen. Das Unternehmen teilte in einer Stellungnahme ihre drohende Entlassung mit. Sie denkt jetzt darüber nach, in den USA einen Asylantrag zu stellen. Ihr Coming-out bereut sie nicht. "Wir müssen aufstehen und uns verteidigen", sagte sie der Nachrichtenagentur AP. "Ich habe genug gelitten."