Profil:Vanessa D'Ambrosio

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Die Ökonomin ist Staatschefin von San Marino, des Gegners der deutschen Fußball-Elf.

Von Oliver Meiler

(Foto: Ercole Giardi)

In San Marino ist es einfacher, Staatsoberhaupt zu werden als Torschütze der Fußball-Nationalmannschaft. Das klingt wie billiger Spott für den Gegner der deutschen Elf am Wochenende, lässt sich aber belegen. In dieser alten Republik im Hinterland von Rimini, die den Beinamen "La Serenissima" trägt, wird die Staatsspitze alle sechs Monate ausgewechselt. Und da diese Spitze doppelt besetzt sein muss, kleideten sich in den vergangenen 27 Jahren 54 "Sammarinesi" in Ornat und Hermelin. In 27 Jahren Zugehörigkeit zur Fifa und Uefa gelangen dem Nationalteam jedoch nur 22 Tore - insgesamt.

Dennoch erlebt die Politik auf dem Monte Titano, dem Bergkamm hoch über der Adria mit seinen drei Festungen und 33 000 Bewohnern, gerade eine aufregende Premiere: Zum ersten Mal stehen zwei Frauen an der Staatsspitze. Die linke Ökonomin Vanessa D' Ambrosio teilt die Aufgabe seit April mit der Christdemokratin Mimma Zavoli, die früher einen Kindergarten leitete. Die Gründerväter der Republik hatten das wahrscheinlich nicht für möglich gehalten, als sie die Verfassung mit dem geteilten Mandat schrieben: Sie nannten die Staatsoberhäupter, die vom Parlament gewählt werden und kollegial über allem präsidieren sollen, Capitani reggenti, regierende Kapitäne oder Hauptleute. Seit 1243 ist das so.

Mit 28 Jahren ist Vanessa D' Ambrosio gerade alt genug für das Amt, das eine Untergrenze von 25 Jahren vorsieht. Prädestiniert für eine politsche Karriere war sie aber gewissermaßen schon von Geburt an: Ihr Großvater hatte San Marinos kommunistische Partei gegründet. So war auch die politische Linie vorgegeben, Vanessa D' Ambrosio führt die Linksallianz "Sinistra Unita" an. Zur Kapitänin befördert wurde sie nun bereits in ihrer ersten Legislaturperiode im Consiglio Grande e Generale, dem Parlament. Der schnelle Aufstieg gelang ihr wohl auch deshalb, weil sie San Marinos Delegation im Europarat anführt und sich dabei profilieren konnte. Man kennt sie auch als forsche, idealistische Vorkämpferin für Bürgerrechte.

Auf Twitter, wo ihr erst 234 Personen folgen, beschreibt sie sich selbst als "Träumerin". Ihre Abschlussarbeit im Arbeitsrecht an der Universität im nahen Bologna widmete Vanessa D' Ambrosio der Geschlechterfrage in Saudi-Arabien nach dem Golfkrieg. Die arabische Welt hat es ihr offenbar insgesamt angetan, wie ihren Vorlieben gemäß ihrer offiziellen Biografie zu entnehmen ist: Sprache, Tradition, Literatur. Als man sie fragte, in welcher Stadt sie gerne leben würde, wenn es einmal nicht mehr San Marino sein sollte, sagte sie aber Berlin.

Bis zum 1. Oktober wacht Vanessa D'Ambrosio nun noch mit der konservativen Kollegin Mimma Zavoli über die Geschicke der "Serenissima". Die beiden Capitane haben ein Vetorecht, wenn ihnen etwas in ihrem Kleinstaat nicht passt. Beschließen müssen sie es allerdings gemeinsam, harmonisch, im Team.

© SZ vom 09.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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