Profil:Stefanie Hubig

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(Foto: Arne Dedert/DPA)

Rheinland-pfälzische Bildungsministerin, die das Elend verwaltet.

Von Susanne Klein

Die Ministerin konnte nicht ahnen, wo sie hineingeraten würde. Covid-19? Davon hatte hier im Januar noch kaum jemand gehört. Und selbst wenn, Stefanie Hubig hätte dem Schlamassel nicht entfliehen können. Die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz (KMK), in der sich die Bildungsminister und -ministerinnen aller 16 Bundesländer regelmäßig beraten, wechselt im Jahresturnus. Jedes Land ist mal dran, die Reihenfolge wird weit im Voraus festgelegt.

2020 also: Stefanie Hubig, rheinland-pfälzische Bildungsministerin, 51 Jahre alt, seit 2008 in der SPD. Wie bei der KMK üblich, präsentiert sie zum Amtsantritt ein Thema, das ihre Präsidentschaft leiten soll. Ihres ist ein Gremium aus Wissenschaftlern, das den Ländern helfen soll, ihre Bildungssysteme vergleichbarer zu machen. Es gemeinsam aufzustellen haben die Kultusminister fest versprochen. Bitter nötig im Föderalismus, der Ärger der Menschen, etwa über den unterschiedlichen Wert des Abiturs, ist groß.

Doch das Coronavirus und der politische Umgang damit sind stärker als Pläne. Diese Erfahrung macht Stefanie Hubig seit Beginn der Krise immer wieder. Im März diskutieren Virologen über bundesweite Schulschließungen, die Kultusminister dagegen wollen die Schultore nur dort zusperren, wo Infektionen auftreten. Flächendeckende Schließungen seien nicht sinnvoll, sagt Stefanie Hubig am Morgen des 12. März, kurz bevor die KMK zusammentritt. Schon am Nachmittag muss sie sich korrigieren, die Minister schließen ein totales Herunterfahren der Schulen nun nicht mehr aus. Nicht, weil sie diese Ultima Ratio für die beste Wahl halten - sondern weil sie ihrer Entmachtung vorauseilen. Noch am selben Abend verkündet die erste Landesregierung die Schließung, die übrigen folgen rasch. Damit nahmen die Ministerpräsidenten ihren Schulverantwortlichen das Heft aus der Hand.

Seitdem versuchen die Kultusminister das Elend zu verwalten, getrieben vom Hickhack der großen Politik, beschimpft von Eltern, die über die immensen Schwächen des Homeschoolings klagen, hart angegangen von Lehrern, die den Infektionsschutz vernachlässigt sehen. Selbst seit von Mitte Mai an die Schulen Stufe für Stufe zunehmend wieder öffnen, muss Stefanie Hubig den chaotisch wirkenden Flickenteppich der Beschlüsse schönreden und Gemeinsamkeiten betonen, wo wenige sind. Denn jedes Land entscheidet für sich, der Wettlauf um Lockerungen hat längst auch die Schulpolitik erfasst.

"Es ist unsere Aufgabe, das Recht auf Bildung mit den notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor einer Verbreitung des Coronavirus in Einklang zu bringen", sagt sie am Mittwoch, als die KMK ihre Spielregeln für das neue Schuljahr vorstellt. Die Juristin mit langer politischer Erfahrung, zuletzt war sie Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, bringt solche Sätze routiniert über die Lippen. Was nicht verbergen kann, dass die Aussage inhaltlich so seicht ist wie das KMK-Papier selbst: Umarmungen vermeiden, viel lüften, Unterricht in festen Gruppen, jenseits vom Klassenraum Masken tragen - viel mehr Konkretes steht nicht auf den neun Seiten. Auf Details sei wegen der "spezifischen Gegebenheiten vor Ort bewusst verzichtet" worden, heißt es.

Die KMK gesteht damit ein, dass es auch nach den Sommerferien kein ganzheitliches Konzept geben wird. Noch verbreiten die Kultusminister zwar die Hoffnung auf regulären Unterricht für jeden Schüler. Wie der gelingen soll, bleibt aber den Ländern, Gemeinden und letztlich den Schulen überlassen. Klar ist nur, dass jeder Standort drei Szenarien vorbereiten muss: Regelbetrieb, Hybridunterricht mit Lerneinheiten in der Schule und zu Hause, reiner Fernunterricht bei einem Infektionsgeschehen. Viel Arbeit für die Verantwortlichen vor Ort, ohne dass die KMK es schafft, ihnen hilfreiche Leitlinien mitzugeben. Schmücken kann sich die Präsidentin damit nicht.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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