Profil:Stan Wawrinka

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Tennisspieler und US-Open-Halbfinalist ohne Angst vor dem Scheitern.

Von Jürgen Schmieder

Es gibt Menschen, die wollen mit einer Tätowierung nicht nur ihren Körper verzieren, sondern eine Nachricht an die Welt schicken, und an sich selbst. Was mit Tinte unter die Haut gelegt wird, das soll einen begleiten, bestenfalls ein Leben lang. Der Schweizer Tennisspieler Stanislas Wawrinka hat sich im März 2013 so eine Botschaft in den linken Unterarm einarbeiten lassen, es ist ein Zitat des Schriftstellers Samuel Beckett: "Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better." Es ist der Sinnspruch all jener, die im Leben schon mal gescheitert sind und eingesehen haben, dass sie auch künftig scheitern werden. Sie wollen es dabei nur besser machen.

Das Scheitern gehört zur Struktur des Tennissports; wer nicht gerade Serena Williams, Roger Federer oder Novak Đjoković heißt, wird wenigstens die letzte Partie eines Turniers oft verlieren - und diese Niederlage bis zum nächsten Versuch verarbeiten müssen. Einem sensiblen Menschen kann das zusetzen; in Wawrinkas Fall war es noch extremer: Er setzte sogar zwei bedeutende Siege mit all seinen Niederlagen in Beziehung. Sein erstes Profiturnier gewann er im Jahr 2006, aber nur, weil Đjoković im Finale erschöpft aufgeben musste. Und bei den Olympischen Spielen 2008 bekam er die Goldmedaille - im Doppel, mit Landsmann Roger Federer, dem wohl besten Spieler der Geschichte. Im Einzel war er in der zweiten Runde gescheitert.

Wawrinka, 30, ist auf dem Bio-Bauernhof seines Großvaters in der Nähe von Lausanne aufgewachsen. Der war 1946 aus der Tschechoslowakei nach Stuttgart geflüchtet und drei Jahre später in die Schweiz gekommen. Wawrinka war keines dieser Ausnahmetalente, die früh gefördert wurden. Er spielte, weil er wollte - und er wurde so gut, dass er davon leben konnte, immerhin. Er war jedoch schüchtern und sensibel und glaubte, dass er immer mindestens den besten Tag seines Lebens erwischen müsste, um zu gewinnen. Er sah nicht ein, dass der andere manchmal einfach besser ist. Er hielt sich selbst für schlechter.

Seit April 2013 ist Magnus Norman aus Schweden sein Trainer - ein ehemaliger Profi, der während seiner aktiven Karriere nur ein paar Partien mehr gewann, als er verlor. Von ihm ließ Wawrinka sich überzeugen, dass er durchaus gut genug ist, um gegen die meisten Kollegen auch an schlechten Tagen gewinnen zu können - und um bisweilen sogar die Besten der Welt zu bezwingen. Alte Tennis-Regel: Erfolg beginnt im Kopf. Wawrinka nannte sich nun martialisch "Stan the Man" und begann tatsächlich, die Trophäen der großen Turniere zu stemmen: 2014 die der Australian Open, im Juni jene der French Open.

Stanislas Wawrinka gehört inzwischen selbst zu den besten Tennisspielern, nun trifft er im Halbfinale der US Open auf Federer. Die Gelassenheit von Wawrinka vor der Partie gegen seinen Landsmann zeigt: Er weiß, dass er scheitern kann. Kein Problem. Wenn er scheitert, dann scheitert er besser.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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