Profil:Richard Ferrand

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(Foto: Benoit Tessier/Reuters)

Der frühere Sozialist ist die Allzweckwaffe des neuen französischen Präsidenten.

Von Stefan Ulrich

Es wäre nicht fair, Richard Ferrand mit jenen Nagern aus der Gruppe der Altweltmäuse zu vergleichen, die als Erstes sinkende Schiffe verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Denn das Boot namens En Marche, auf das der Abgeordnete der Sozialisten am 6. April 2016 übersprang, war nur eine Nussschale, der viele den raschen Untergang prophezeiten. Doch Ferrand glaubte an En Marche und an dessen Kapitän Emmanuel Macron. Das zahlte sich aus. Am Sonntag übernimmt Macron die französische Präsidentschaft - und Ferrand wird für höchste Ämter gehandelt.

Zufrieden ist der 54 Jahre alte ehemalige Hinterbänkler im Parlament damit noch nicht: Die Präsidentschaftswahl sei nur der erste Schritt, Frankreich wieder voranzubringen. Nun müsse bei den Parlamentswahlen im Juni eine Mehrheit für Macron errungen werden. Dabei kommt Ferrand als Generalsekretär von En Marche eine Schlüsselrolle zu. Er tritt ständig in den Medien auf, organisiert die Umwandlung der Bewegung in eine Partei und wirkt an der Auswahl der Kandidaten für die Nationalversammlung mit, von denen am Donnerstag 428 vorgestellt wurden.

Als "Schweizer Messer" Macrons wird der schlagfertige und scharfzügige Mann mit dem rundlichen Gesicht von Le Monde bezeichnet, wegen seiner vielfältigen Verwendbarkeit. So gilt er auch als "Minenräumer" des neuen Präsidenten und als soziales Gewissen der Bewegung. Die Sozialistische Partei, aus der er jetzt auch formell ausgetreten ist, betrachtet ihn dagegen als Abtrünnigen, ja Verräter, und als Opportunisten. Ferrand habe dem linken Flügel der Sozialisten angehört, heißt es. Wie könne er da die rechte Hand des Sozialliberalen Macron werden? Der Präsident und sein Macher sehen da kein Problem. "Er ist ständig mit mir im Einsatz, er weiß, was ich denke und wie ich funktioniere", sagt Macron.

So rückt ein Mann ins Zentrum der Macht, dessen politische Karriere bisher gemächlich verlief. Fasziniert vom damaligen Präsidenten François Mitterrand trat der aus Südfrankreich stammende Ferrand mit 18 Jahren den Sozialisten bei. Er studierte Germanistik und Jura, arbeitete als Journalist, als Kommunikationsberater und Versicherungschef. Ferrand mischte in der Kommunalpolitik seiner Wahlheimat, der Bretagne, mit. 2012 wurde er für die Sozialisten in die Nationalversammlung gewählt. 2014 lernte er Macron kennen, der damals Wirtschaftsminister war.

Die beiden verstanden sich sofort. "Ich hatte den Eindruck, dass Macron eher ein Mann des Schicksals als der Karriere war", sagte Ferrand. Fortan arbeitete er an den Reformvorhaben des Ministers mit, und als Macron 2016 En Marche gründete, war Ferrand der erste Abgeordnete, der sich anschloss. Nun raunt es in Paris, Ferrand könne Premier, Generalsekretär des Élysée oder Präsident der Nationalversammlung werden. Der Kandidat selbst gibt sich bescheiden: Er beanspruche nichts. "Ich bin glücklich, weil Emmanuel Macron Präsident geworden ist."

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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