Profil:Matthias Hartmann

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Kreatives Stehauf-Männchen des deutschsprachigen Theaterbetriebs.

Von Bernd Graff

Kulturverachtende Spötter stellen sich den staatlich subventionierten Theaterbetrieb als System zur Förderung von Sonnenkönigen vor, die eben Kuchen essen müssen, weil es ja kein Brot mehr gibt. Als ein vor der Wirklichkeit und ihren Zumutungen künstlich bewahrtes System von Exoten also, die zwar stets an unfassbar spannenden Projekten arbeiten, die aber weder wissen, was ein Projekt, noch was Arbeit ist. Und schon gar nicht: Was Projekte kosten. Nicht nur an Arbeit.

Diesen geist- und kunstfeindlichen Spöttern Argumente und Anekdoten zu liefern, scheint ein reinrassiges Bühnengewächs wie Matthias Hartmann geradezu angetreten zu sein. Denn wo der Name Hartmann im deutschsprachigen Theaterraum auftaucht, spielt Geld anscheinend so lange keine Rolle, bis sich alle verdutzt fragen, wohin es geflossen sein könnte.

Der 1963 in Osnabrück geborene Intendant und Regisseur war Internatszögling, weltenbummelnder Schulabbrecher und kaufmännischer Lehrling. Sein Herz aber schlug für die Bühnenkunst. Er begann als Hospitant am Berliner Schillertheater, wurde 1990 künstlerischer Leiter in Hannover und reüssierte gleich mit einer Lessing-Inszenierung. Ab da ging es mit ihm (erst einmal) steil bergauf, er wirkte in München, Hamburg, Zürich, Wien. Im Jahr 2000 wurde er Intendant am Schauspielhaus Bochum. Hier besetzte Hartmann den TV-Entertainer Harald Schmidt in mehreren Inszenierungen. Das Haus brummte. 2005 ging er als Intendant nach Zürich, 2009 übernahm er das Wiener Burgtheater.

Hartmann versprach Superlative: "Sie haben das Beste gewollt. Sie werden es bekommen." Er lieferte dann auch. Zu dem üppigen Jahres-Intendanten-Gehalt ließ er sich für jede seiner eigenen Regiearbeiten noch ein deftiges Extrahonorar anweisen. Sein Erfolg schien alles zu rechtfertigen. "Ich habe die besten Besucherzahlen und die höchsten Einnahmen in der Geschichte des Hauses", erklärte er. Doch unter ihm entwickelte sich mit fast 20 Millionen Gesamtverlust auch das höchste Defizit des Hauses. Was lange nicht auffiel, weil eine einfallsreiche Kreativbuchhaltung die Löcher kaschiert hatte. Im März 2014 wurde er als Geschäftsführender Intendant in Wien geschasst.

Doch der umtriebige Hartmann ist schon wieder in aller Munde. Jetzt geht es um Bochum. Hartmann wirkt zwar derzeit als "Künstlerischer Leiter" eines TV-Privatsenders, der mit Kunst in etwa so viel zu tun hat wie eine Wiener Kreativbuchhaltung. Doch dieser Sender gehört dem Chef eines Energydrink-Unternehmens. Und der soll Bochum angeblich angeboten haben, das Bühnenhaus zu sponsern, wenn Hartmann dort wieder Intendant werde. Ein unmoralisches Angebot zugunsten des gewieften Subventionssonnenkönigs? Wie um das alles zu widerlegen, demonstriert Hartmann gerade mit der harmonisch-eleganten Inszenierung von Dostojewskis "Idiot" in Dresden, dass er künstlerisch rein gar nichts verlernt hat.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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