Profil:Markus Hinterhäuser

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Neuer Festspielleiter in Salzburg, der sich seine Träume radikal erfüllt.

Von Reinhard J. Brembeck

(Foto: Neumayr/dpa)

Es gibt kaum jemanden, der die Salzburger Festspiele besser kennt als Markus Hinterhäuser, der dort gerade seine erste Saison ausrichtet. Das liegt daran, dass der 1958 in La Spezia als Sohn eines deutschen Romanistikprofessors geborene Hinterhäuser schon seit Jahren freiwillig in der Fremden gegenüber immer etwas reservierten Alpenkleinstadt lebt. Dort hat er fast zehn Jahre lang zusammen mit Tomas Zierhofer-Kin das legendäre, den Festspielen assoziierte Zeitfluss-Festival betreut.

Da gab es all das zu hören, was die Festspiele nicht wirklich mögen: Stockhausen, Nono, Boulez, Ligeti, Kurtág, Feldman, Schostakowitsch. In dieser klassischen Nachkriegsmoderne ist Hinterhäuser sozialisiert, er hat viele von deren Kompositionen als Pianist aufgeführt und aufgenommen. Hinterhäuser hat auch in Stücken von Christoph Marthaler, einem seiner Lieblingsregisseure, Klavier gespielt und tritt noch immer als Pianist auf, auch jetzt bei diesen Festspielen.

Hinterhäusers Vorgänger, der gewiefte Manager-Intendant Alexander Pereira, war genauso vorzeitig aus Salzburg geflohen wie sein Vorgänger Jürgen Flimm; davor hatte Peter Ruzicka nach nur fünf Jahren genug. Für gelernte Intendanten haben die Festspiele mit ihrer Residenzpflicht offenbar nur noch einen eingeschränkten Reiz.

Markus Hinterhäuser aber tritt als ein ganz anderer Typ von Festivalleiter an, einer, der sich radikal Träume erfüllt, die im Theateralltag nicht möglich sind. Wie zum Beispiel in seiner ersten Opernproduktion dieses Jahres, Mozarts "La clemenza di Tito". Dafür verpflichtete er nicht, wie sonst in Salzburg üblich, die Wiener Philharmoniker, sondern Chor und Orchester der MusicAeterna aus Perm, die von Wunderdirigent Teodor Currentzis gegründet wurden. Was solch ein Gastspiel kostet! Dazu schaltete Hinterhäuser dann ein vorwiegend aus schwarzen Sängern bestehendes Solistenensemble (was im weißen Opernbetrieb eine Sensation ist); als Regisseur engagierte er Peter Sellars, der mit seinen Arbeiten stets das humanitäre Potenzial der Stücke freilegt und schon eine entscheidende Stütze von Gerard Mortier war; Mortier hatte nach Herbert von Karajan das Festival von allen bildungsbürgerlichen Verkrustungen befreit. "La clemenza di Tito" war ein Triumph.

Aber nicht alles gelingt Hinterhäuser gleicherweise genial. Dass er den Salzburger Klassiker "Jedermann" in einer Notoperation neuinszenieren lassen musste, und dass dies dann ausgerechnet das unbekümmerte Showtalent Michael Sturminger machte, wurde nicht gerade als Ruhmestat verzeichnet. Zudem finden viele Beobachter das diesjährige Programm etwas zu vorsichtig, kaum wagemutig. Mag sein. Aber erstens sind die Festspiele immer vorsichtig konservativ, und zweitens hat Markus Hinterhäuser mindestens noch vier weitere Festspielausgaben vor sich, in denen er sich wagemutiger zeigen kann und wohl auch wird.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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