Profil:Li Shufu

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Der chinesische Auto-Pionier mischt bei europäischen Traditionsmarken mit.

Von Joachim Becker

(Foto: Charles Pertwee/Bloomberg)

"Chairman Li", wie Mitarbeiter ihren Boss nennen, ist kein Selbstdarsteller. Li Shufu lächelt starr in die Kamera und bedankt sich für die Aufmerksamkeit. Die ist ihm sicher, seitdem er von Volvo bis Daimler die Geschicke europäischer Autokonzerne mitbestimmt. In der Branche wird er mittlerweile mit dem VW-Patriarchen Ferdinand Piëch verglichen. Auch der langjährige Audi- und Volkswagen-Chef hat Automarken gesammelt und daraus einen Weltkonzern gebaut. Doch die Charaktere könnten gegensätzlicher nicht sein. Der herrische Enkel des Porsche-Gründers ist in einer Autowelt aufgewachsen - was man vom Gründer des chinesischen Autokonzern Geely nicht gerade sagen kann.

Die Legende will, dass sich Li Shufu nach der Schule 120 Yuan vom Vater lieh, um sich eine Kamera zu kaufen. Das entsprach Ende der 70er-Jahre zehn D-Mark und war viel Geld in Taizhou, einer mittleren Stadt in der Küstenprovinz Zhejiang. Heute leben dort, knapp 400 Kilometer südlich von Shanghai, sechs Millionen Menschen. Der nahezu mittellose Bauernjunge aus dem Dorf Taizhou eröffnete ein Fotogeschäft, aber sein Hunger auf Technik war damit nicht gestillt. 1986 begann er mit der Fertigung von Kühlschrankteilen. 1993 kamen Zweiräder und Mitte der 90er-Jahre Billigautos hinzu. "Wir verkaufen Autos wie Weißkohl", sagte der bodenständige Li damals. Heute ist Geely die größte heimische Automarke in China.

Die Übernahme der schwedischen Traditonsfirma Volvo im Jahr 2010 zeigte, wie strategisch der Mann ohne höhere Bildung dachte. Für das spektakuläre Geschäft musste sich Li Geld leihen, obwohl er längst Millionär war. Er pumpte die Städte Daqing und Shanghai an; beide erwarben kurzfristig 49 Prozent an der Geely Holding. Inzwischen hat er die Anteile wieder zurückgekauft. 2017 stieg er beim eigenständigen Nutzfahrzeughersteller Volvo ein und übernahm den englischen Sportwagenhersteller Lotus. Nun hat er 9,7 Prozent der Aktien des Daimler-Konzerns gekauft und ist damit dort größter Einzelaktionär.

Über seinen Erfolg staunt Li Shufu selbst am meisten: "Ein armer Junge vom Land heiratet das reiche Mädchen aus der Stadt", hat er selbst den Volvo-Kauf kommentiert. Damals produzierte Geely gerade einmal 450 000 Autos pro Jahr. Im internationalen Vergleich waren die Chinesen noch Zwerge. Doch wie das so ist bei erfolgreichen Start-ups: Geschwindigkeit und Hartnäckigkeit zählen mehr als die schiere Größe. Und Li Shufu hatte eine klare Vision für Volvo. Der Vorbesitzer Ford hatte die schwedische Premiummarke erst gepäppelt und dann mit Sparprogrammen ausbluten lassen. Volvos Nimbus als Hersteller von technisch hochwertigen und besonders sicheren Autos verblasste immer mehr. Unter dem Dach von Geely hat Volvo eine Modelloffensive mit attraktiven neuen Autos gestartet, die sich gut verkaufen.

Heute wirkt der Kaufpreis für Volvo von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro wie ein Schnäppchen. Die Schweden haben gerade mitgeteilt, dass ihr Umsatz im vergangenen Jahr um ein Sechstel auf 21,4 Milliarden Euro gewachsen ist. Der Gewinn nach Steuern kletterte um 37 Prozent auf eine Milliarde Euro. Und das Beste könnte noch kommen. Denn der Erfolg beruht (genau wie Volvos Absatzplus von rund 25 Prozent in China) auf der Kooperation mit dem chinesischen Mutterkonzern.

Auch technisch gehen Volvo, Geely und die neu gegründete Marke Lynk & Co., die 2019 nach Europa kommen soll, gemeinsame Wege. Das eigenständige Design der Marken bleibt bestehen, doch zusammen können sie in eine neue Dimension vorstoßen. Mittlerweile hält Chairman Li alle bisherigen Absatzziele für "sehr, sehr konservativ". Anfang der nächsten Dekade könnten seine Marken mit zusammen drei Millionen produzierten Autos mit VW in China gleichziehen. In aller Bescheidenheit natürlich.

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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