Profil:Leoluca Orlando

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(Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Palermos wiedergewählter Bürgermeister und leidenschaftlicher Vermarkter.

Von Oliver Meiler

Leoluca Orlando, so lautet das schönste der vielen Sinnbilder, ist die "Autobiografie seiner Stadt". In der Vita des Bürgermeisters kann man die jüngere Geschichte Palermos nachlesen, auch die dunkleren Kapitel. Sie sind zusammengewachsen, die beiden. Nun hat er die Stadt schon zum fünften Mal erobert, diesmal bereits im ersten Durchgang der Gemeindewahlen. Eine Zeitung nennt ihn "Orlando V.", als herrschte er wie ein König ohne Nachfolger. "Orlando perpetuo" konnte man auch lesen, der ewige Orlando. Er ist jetzt 69 Jahre alt.

Als er am Morgen nach der langen Wahlnacht seine Wohnung verließ, rief ihm sein Portier zu: "Wie haben Sie das nur wieder geschafft, Herr Bürgermeister?" Er antwortete: "Ich war Sohn dieser Stadt, dann Bruder, jetzt bin ich ihr Vater." Orlando sagte diesen Satz zweimal, wie die italienische Zeitung La Repubblica berichtet, zuerst auf Deutsch, dann auf Italienisch.

Leoluca Orlando hat einst in Heidelberg studiert, spricht vier Fremdsprachen, am liebsten ist ihm aber Deutsch. Seine polyglotte Seite hilft ihm beim Vermarkten der Stadt. Orlando ist ein formidabler Verkäufer Palermos. Die Stadt der Mafia, sagt er oft, sei jetzt eine Stadt der Kultur und bald die Nummer vier unter Italiens touristischen Zielen. Seine eigenen Verdienste an dieser Verwandlung schätzt der Bürgermeister eher nicht zu tief ein, warum sollte er auch? Man nennt ihn auch den "Frühlingsmacher" von Palermo.

Begonnen hat diese Geschichte aber im tiefen Winter. Als die Cosa Nostra 1980 Siziliens Regionspräsidenten Piersanti Mattarella umbrachte, war der junge Rechtsprofessor Orlando dessen Berater und Vertrauter. Der Mord habe ihn dazu gezwungen, in die Politik zu wechseln. Wie sein Mentor gehörte er damals der Democrazia Cristiana an, die Sizilien beherrschte - und das beileibe nicht immer mit lauteren Mitteln. Mit 38 wurde Orlando ein erstes Mal Bürgermeister. Sein zweites Mandat gewann er dann mit seiner eigenen Partei "La Rete", das Netz. Sie war ihrer Zeit voraus, irgendwie postideologisch. Im Zentrum stand der Kampf gegen die Mafia. Die führte in jenen Jahren Krieg gegen den Staat, verübte Attentate, ermordete die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Auch Orlando wurde bedroht, seitdem steht er unter ständigem Personenschutz.

Zwischendurch wurde Palermo von der Rechten regiert, doch als Orlando 2012 zurückkehrte, war es, als wäre er nie weg gewesen. "Diese Stadt kann einen Scheißkerl wie mich noch immer gut gebrauchen", sagt er nun. So redet er gern, stanzt Worte in Slogans. Orlando trifft den Ton des Bürgertums im herausgeputzten Stadtzentrum ebenso wie jenen der Menschen in der grauen Peripherie. Und wenn es mal nicht gelingt, ist der Verwaltungsapparat der Stadt groß genug, um die Missmutigen bei Laune zu halten. Es wählen ihn auch jene, die ihn nicht mögen. Parteien, die für ihn werben, braucht Orlando nicht mehr. Er ist nun leidenschaftlich eins mit seiner Stadt. Und sie mit ihm.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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