Profil:Joanna Kulig

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(Foto: AFP)

Polnische Star-Schauspielerin und Siegerin beim Europäischen Filmpreis.

Von Thomas Urban

Der Moderator der Gala zur Verleihung des Europäischen Filmpreises in Sevilla sagte nur vier Wörter: "Sie kann einfach alles!" Er meinte die als beste Schauspielerin ausgezeichnete 36-jährige Joanna Kulig. Die Polin hat in ihrem Heimatland Ruhm erworben nicht nur an den großen Bühnen des Landes, sondern versteht auch das Geschäft der leichten Fernsehserien, und sie ist eine begabte Komödiantin. Vor allem kann sie tanzen und singen.

In dem mit einem Doppelselbstmord endenden Liebesdrama "Cold War", dem großen Sieger von Sevilla mit fünf Preisen, gedreht vom Oscar-Gewinner Paweł Pawlikowski wieder in strengem Schwarz-Weiß, spielt Kulig eine junge Frau vom Dorf, die im Polen der Stalinzeit in der Welt der Musik Karriere machen möchte. Sie braucht kein Double für ihre virtuosen Tanzeinlagen in einem Folkloreensemble und auch nicht für ihre Auftritte als Chansonnière in den verrauchten Intellektuellencafés von Paris. Schon in Pawlikowskis Schwarz-Weiß-Drama "Ida" über den verschwiegenen Antisemitismus in Polen während des Kriegs, ausgezeichnet 2015 mit dem Oscar, war sie in einer Nebenrolle dabei, als Jazzsängerin.

"Cold War" ist nicht der einzige Film, mit dem Joanna Kulig in diesem Jahr großes Aufsehen erregte. In dem umstrittenen Streifen "Kler" (Klerus) über das unheilige Leben von vier Priestern, spielt sie die Haushälterin und Geliebte eines alkoholkranken, korrupten Dorfpfarrers, der sie zur Abtreibung zwingen will, als sie schwanger wird. Sie schreckte auch vor Nacktszenen nicht zurück und hatte nicht zuletzt deshalb erwartet, in Polen großen Anfeindungen ausgesetzt zu sein, stattdessen nannte sogar der katholische Primas, Erzbischof Wojciech Polak, den Film einen Aufruf an die Kirche "für mehr Sensibilität" angesichts der Nöte der Menschen.

Aufgewachsen ist sie mit zwei Brüdern und zwei Schwestern im Kurort Krynica am Rande der Beskiden. Die Eltern waren Musiker, sie spielten auf örtlichen Festen, bei Hochzeiten, die Kinder waren sehr früh dabei, wurden aber auch zu Fleiß in der Schule angehalten. Joanna schaffte es in eine Klavierklasse eines Musikgymnasiums, auch nahm sie Tanz- und Gesangsunterricht. Als 16-Jährige wurde sie auf einen Schlag im ganzen Land bekannt: Sie trat bei einem Talentwettbewerb im Fernsehen auf, bescheiden, ungeschminkt, im schwarzen Kleid. Ihr ebenso inniger wie temperamentvoller Vortrag eines Jazzlieds begeisterte die Jury und die Zuschauer, sie kam auf den dritten Platz. Zwar bestand sie nach dem Abitur nicht die Aufnahmeprüfung für Jazzgesang der Krakauer Musikhochschule, aber sie konnte dort den Studiengang Schlagergesang abschließen.

Bald meldeten sich die Theater- und Filmregisseure bei dem zierlichen Multitalent, sie ist nur 1,60 Meter groß. Beim Dreh des Spielfilms "Disco Polo", einer Satire auf die Musiksparte, die Diskotheken mit Tanzhits versorgt und mit der Halbwelt verquickt ist, kamen sie und der Regisseur Maciej Bochniak sich näher. Er ist heute ihr Mann, in wenigen Tagen erwarten sie ihr erstes Kind. Das ist auch der Grund, warum Joanna Kulig nicht an der Gala in Sevilla teilgenommen hat. Stattdessen ist sie bereits im Spätsommer nach Los Angeles geflogen, um dort an der Werbekampagne für "Cold War" teilzunehmen. Die polnische Boulevardpresse berichtet aufgeregt, welche Hollywoodgrößen sie bereits getroffen hat.

Die Nacht von Sevilla hat ihre Chancen auf eine seriöse Rolle in Hollywood jedenfalls erheblich erhöht, ein bisschen hat sie schon in das dortige Gewerbe hineingeschnuppert, mit der Rolle einer rothaarigen Hexe in dem Streifen "Hänsel und Gretel" von 2013, der das berühmte Märchen zu einem Ballerfilm verunstaltet hat. Sie selbst sagt, sie wolle erst einmal Ruhe und sich dem Kind widmen, das nun zur Welt kommen wird und von dem man bislang nur weiß, dass es mit der Geburt die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommen wird.

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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