Profil:Jessica Chastain

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Die Hollywood-Schauspielerin möchte lieber nicht als Filmstar bezeichnet werden.

Von David Steinitz

Als die Schauspielerin Jessica Chastain ihre ersten Vorsprechen in Hollywood hatte, lernte sie zunächst einmal, dass Casting-Chefs eine große Vorliebe für blonde, braungebrannte Mädchen haben. Rote Haare, blasser Teint? Nicht sehr gefragt. Noch schlimmer wurde es, als sie den Agenten erzählte, dass sie an der Juilliard School studiert habe, der berühmten Schauspielschule in New York. Shakespeare, Tschechow, Ibsen? "Sie wussten einfach nicht, was sie mit mir anfangen sollen", berichtet die 40-Jährige gern.

Seit dieser Woche ist sie in dem Thriller "Die Erfindung der Wahrheit" zu sehen. Ihre Rolle einer skrupellosen Lobbyistin in Washington beweist mal wieder, dass Hollywood großes Glück gehabt hat, dass sich diese Frau schließlich doch durchsetzen konnte - und zwar ohne sich die Haare zu färben und in die Sonne zu legen.

Lobbyarbeit als Thema eines Spielfilms, das klingt erst mal unsexy. Aber Chastain macht daraus quasi einen Western in Washington, sie spielt ihre Figur wie einen einsamen Cowboy, der sich in der Zeit geirrt hat und der statt mit dem Revolver mit den schmutzigen Tricks der Tagespolitik kämpft. Dass sie heute zu den großen Stars im amerikanischen Filmgeschäft gehört, hat sie rückblickend nicht den Casting-Agenten zu verdanken, sondern tatsächlich Shakespeare, Tschechow und Ibsen.

Chastain, geboren und aufgewachsen in Kalifornien, zog als junge Frau an die Ostküste und bewarb sich an der Juilliard School. Dort war man so begeistert, dass man sie sofort aufnahm. Weil sie sich die Ausbildung nicht leisten konnte, spendierte ihr Robin Williams, ein berühmter Alumnus der Uni und Chastain-Fan der ersten Stunde, ein Stipendium. Sie spielte alle großen Klassiker, tourte mit Theatergruppen durchs Land und war mit diesem Leben glücklich. "Mein Plan war es ja nicht, ein Filmstar zu werden, mein Berufswunsch war Schauspielerin."

Eine Motto, das sie sich durch ihre Rollenauswahl jenseits des Mainstreams bis heute bewahrt hat.

Dass sie einfach zu gut für die kleinen Bühnen war, fand kein geringerer als Al Pacino, der sie direkt nach Hollywood empfahl. Doch es passierte erst mal nichts. Chastain drehte zwar einen Film nach dem anderen, aber da die Terminkalender der Studios ständig umgeplant werden, auch wenn Filme eigentlich schon fertig sind, kam lange nichts davon ins Kino. Bis 2011 eine richtige Chastain-Schwemme einsetzte: Sechs Filme mit ihr liefen in jenem Jahr an, darunter das Bürgerrechtsdrama "The Help", das ihr eine Oscar-Nominierung einbrachte. Als sie im Jahr darauf gleich noch mal nominiert wurde - für "Zero Dark Thirty", als Agentin, die Osama bin Laden jagt - war sie endgültig in der oberen Hollywood-Liga angekommen. Zumindest beruflich, denn was den Party-Zirkus drumherum angeht, den eine solche Karriere in der Regel mit sich bringt, hat Chastain eine klare Meinung: "Ich mag keine Partys, ich gehe lieber mit dem Hund spazieren oder spiele etwas Ukulele."

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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