Profil:Jan Jambon

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Belgischer Innenminister im Geflecht eines schwierigen Staates. (Foto: Dominique Faget/AFP)

Belgischer Innenminister im Geflecht eines schwierigen Staates.

Von Luisa Seeling

Er wolle in Molenbeek "aufräumen", kündigte Belgiens Innenminister und Vize-Premier Johan "Jan" Jambon an, als klar war, dass nach den Anschlägen von Paris die Spur in den Brüsseler Vorort führt. Dieser sei ein "Terror-Nest", schob der 55-jährige Flame nach, das Problem müsse ein für allemal gelöst werden. Das klang martialisch, und tatsächlich geht die belgische Regierung zurzeit massiv gegen Terrorverdächtige vor. Nach Festnahmen in der Hauptstadt und im südbelgischen Charleroi gilt im Großraum Brüssel weiter die höchste Terrorwarnstufe.

Viele Belgier beruhigt das nicht, im Gegenteil: Sie haben das Gefühl, einer Wiederholung beizuwohnen. Molenbeek hatte sich schon nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen als Hochburg der Dschihadisten entpuppt. Innenminister Jambon ist seit Oktober 2014 im Amt, und der Druck auf ihn wächst, Belgiens Terrorproblem in den Griff zu bekommen. Das ist eine undankbare Aufgabe in einem Land, dessen staatliche Strukturen gerne als "dysfunktional" beschrieben werden - und das ist die milde Variante. Die Europa-Ausgabe von Politico spricht rundheraus von einem "gescheiterten Staat". So weit muss man nicht gehen, doch klar ist, dass der jahrzehntelange Streit zwischen Flamen und Wallonen so komplizierte wie ineffiziente Strukturen hervorgebracht hat. Das Wirrwarr ist ein Grund, warum dschihadistische Netzwerke in Belgien gedeihen konnten.

Die Aufgabe wird auch nicht leichter dadurch, dass Jambon Innenminister eines Staats ist, den er eigentlich abschaffen will. Der in Genk geborene Politiker gehört der separatistischen Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) an, die drei Minister im Kabinett des wallonischen Liberalen Premiers Charles Michel stellt. Die Partei will die Abspaltung Flanderns, allerdings nicht auf einen Schlag, sondern als "stufenweise Entwicklung", bei der immer mehr Kompetenzen auf Flandern und Europa übertragen werden. In der Praxis liegt das Projekt für die kommenden Jahre auf Eis; die N-VA will lieber pragmatisch mitregieren und sich als seriöse Volkspartei mit Law-and-Order-Ausrichtung etablieren. So gesehen bietet die Ausnahmesituation auch eine Profilierungs-Chance für Jambon.

Der Konflikt zwischen den Volksgruppen ist trotzdem nicht unwichtig geworden. Jambon, der einen MBA absolviert und vor seinem Wechsel in die Politik unter anderem für IBM gearbeitet hat, ist seit seiner Jugend in der flämisch-nationalistischen Bewegung verwurzelt. Bis heute verfolgt ihn ein Auftritt 2001 bei einer Vereinigung flämischer Veteranen, die aufseiten der Nazis in Russland gekämpft hatten. Im vergangenen Jahr sorgte er mit einer Äußerung über flämische Kollaborateure für Aufregung, die für ihren Umgang mit den Deutschen "ihre Gründe gehabt" hätten. Vor allem bei den Wallonen kam das nicht gut an. Mit ihnen aber muss der Innenminister zusammenarbeiten, wenn er nicht nur in Molenbeek, sondern in ganz Belgien "aufräumen" will.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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