Profil:Jack Ma

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Mann der einsamen Herzen, der den 11.11. zum größten Kommerztag der Welt machte.

Von Christoph Giesen

Es war Mitte der Neunzigerjahre, als vier Kommilitonen im Schlafsaal ihres Studentenwohnheims in Nanjing zusammensaßen und über ihr Singledasein lamentierten. Valentinstag, den Tag der Liebe und Paare, den gibt es, in China sogar gleich zwei Mal. Erst am 14. Februar und dann noch Qixi. Die Nacht der Siebenen ist das Fest der Liebenden in China. Gefeiert meist im August, am siebten Tag des siebten Monats nach dem chinesischen Mondkalender. Was jedoch fehlte, befanden die einsamen vier, war ein Tag für die Alleingelassenen, für die Singles. Das Datum war schnell gefunden: der 11. 11. - jede Eins ein einsamer Strich.

Die ursprüngliche Idee der Studenten: Gemeinsam etwas unternehmen, Essen gehen, zum Beispiel Youtiao, einen in Öl ausgebackenen, leicht salzigen Teigstab, der wie eine Eins aussieht. Später gingen dann Frauenrunden gemeinsam Karaoke singen. Wirklich verbreitet war der Singles-Tag jedoch nicht. Für die meisten Chinesen war der 11. November ein völlig normales Datum.

Doch dann kam Jack Ma, der Gründer des Onlinegroßhändlers Alibaba. Seitdem ist alles anders. 2009 deutete Alibaba den Tag der Singles einfach um. Treffen mit Freunden, Karaoke, Youtiao - nein. Wer alleine ist, möge sich etwas Schönes kaufen, und das möglichst preiswert, verkündete der Konzern. Um Punkt Mitternacht geht der Wahnsinn los. Millionen Chinesen schicken ihre Bestellungen ab. Nicht mal eine Minute wird es dauern, bis die erste Milliarde umgesetzt ist. Ein Land ergibt sich dem bedingungslosen Konsum.

Inzwischen gewähren Tausende Unternehmen am 11. November üppige Rabatte. Vor einem Jahr wurden so an nur einem einzigen Tag Waren im Wert von 120,7 Milliarden Yuan bestellt, das sind umgerechnet 15,6 Milliarden Euro.

Fast alles kann man auf den Websites von Alibaba kaufen: Jeans, Schuhe, Waschmaschinen, Luftreiniger, Milchpulver, ja sogar Autos. Wer an diesem Samstag zu den ersten 33 Kunden einer Schnapsbrennerei gehört, bekommt für den einsamen Preis von 1111 Yuan lebenslang Nachschub an Hirsebrand geliefert. Jeden Monat zwölf Flaschen des chinesischen Nationalschnapses, ein Hochprozentiger, Baijiu genannt. Wer innerhalb von fünf Jahren stirbt, darf sein Baijiu-Kontingent an ein Familienmitglied vererben.

Mit Alkohol begann auch die Karriere von Jack Ma. Die Studenten in Nanjing hatten gerade ihren ersten Feiertag ausgerufen, da reiste der Englischlehrer Ma Yun zum ersten Mal in die USA. Schon damals nannten ihn alle Jack. Bei Freunden in Seattle tippte er zwei Worte in eine Suchmaschine: "Beer" und "China". Kein Treffer. Zurück in China machte er sich ans Werk, und aus dem Lehrer Ma wurde Chinas erster Internetunternehmer. Seine Website, ein Flop, bot das erste kommerzielle Angebot - eine Art gelbe Seiten.

1999 versuchte Ma es erneut und wurde zu einem der reichsten Männer Chinas. In seiner Heimatstadt Hangzhou gründete er die Firma Alibaba. 2014 ging das Unternehmen in New York an die Börse. 25 Milliarden Dollar wurden erlöst. Benannt ist Alibaba nach dem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Ein Name, der sowohl auf Chinesisch als auch auf Englisch funktioniert. Mas Idee: die Werkbank der Welt an den globalen Handel ankoppeln. Er schuf eine Website, um Kunden und Fabriken direkt zu verbinden, keine Zwischenhändler mehr. Das gängige Bestellvolumen war der Schiffscontainer.

2003 kam Taobao, Chinas Ebay, dazu. Dort führte Ma das Online-Bezahlsystem Alipay ein. Inzwischen kann man fast überall in China mit Alipay zahlen. 2008 folgte schließlich Tmall. Ein Online-Umschlagplatz für die Hersteller von Markenartikeln. Geliefert wird direkt aus den Lagerhäusern der Unternehmen. An jeder Transaktion verdient Alibaba eine Kommission. Am Tag der einsamen Herzen werden es wieder Hunderte Millionen Euro sein.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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