Profil:Ingmar Hoerr

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(Foto: Curevac Handout/EPA-EFE/Shutterstock)

Der Tübinger Biologe ist weltweit gefragt in der Corona-Krise.

Von Elisabeth Dostert

Es war wohl doch zu viel und die Aufgabe zu groß. Sie erfordert die ganze Kraft. Ingmar Hoerr, 51, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des Tübinger Biotechnologieunternehmens Curevac könne sein Amt aus gesundheitlichen Gründen für eine "gewisse Zeit" nicht ausüben, teilte das Unternehmen am Montagabend mit. Seine Abwesenheit sei nicht durch das Coronavirus bedingt, teilt die Firma in einer wenige Zeilen langen Mitteilung mit. Dabei war Hoerrs Rückkehr ins operative Geschäft vor wenigen Tagen euphorisch gewürdigt worden. Er kenne Curevac und dessen Identität durch und durch, schwärmte Jean Stéphenne, der stellvertretende Aufsichtsratschef von Curevac."Als Gründungs-CEO, Wissenschaftler und Visionär" sei er der Richtige, um Curevac in die Zukunft zu führen, hieß es in einer Mitteilung. Es klang fast ehrfürchtig. Dabei liegt Hoerr selbst Personenkult fern. Er nutzt lieber Wörter wie "tolles Team", "wir" oder "gemeinsam". Die Frage, in welche Zukunft er Curevac führt, bewegt mittlerweile die ganze Welt. Das Unternehmen steckt mittendrin in den Corona-Schlagzeilen. Am Wochenende hieß es, US-Präsident Donald Trump habe Curevac sehr viel Geld geboten, wenn es einen Impfstoff gegen das Coronavirus exklusiv für seine Landsleute zur Verfügung stelle. Hatte ihm da einer Hoffnungen gemacht? Anfang März war der US-Amerikaner Daniel Menichella, damals noch Vorstandsvorsitzender von Curevac, zu Gast bei Trump. Wenige Tage später war Menichella weg und Hoerr wieder Vorstandschef der Firma. Er gibt das Amt nicht auf, er macht Pause. Zu den Gerüchten um die Trump-Offerte gab es am Sonntagabend zwei Dementis. Eines kam von Curevac, ein zweites von der Investitionsgesellschaft Dievini, einer Beteiligungsgesellschaft von SAP-Gründer Dietmar Hopp. Er und Hoerr kennen sich seit Jahren. Hopp ist fast 80, Hoerr Anfang fünfzig.

Aber beide sind Gründer, und sie kennen die Höhen und Tiefen. Hoerr, ein Biologe, hat in Tübingen studiert, er stammt aus der Region. Im Jahr 2000 gründete er die Firma gemeinsam mit Florian von der Mülbe und Steve Pascolo. "Wir hätten uns auch wie viele unserer Kommilitonen von Pharmafirmen anstellen lassen können. Aber so habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Ich wollte etwas bewegen", sagte Hoerr einmal in einem Interview mit der SZ. Der Firmenname ist eine Verschmelzung aus den Wörtern Cure und Vaccine und enthält die Botschaft: Curevac will mit Impfstoffen heilen. Bis zum Einstieg von Hopp im Jahr 2005 habe die Firma ständig vor der Insolvenz gestanden, sagt Hoerr. Biotechnologie ist harte Arbeit, die Entwicklung von Medikamenten braucht viel Zeit und sehr viel Geld. Es gibt Biotech-Gründer, die gehen lieber in die USA, weil es dort angeblich leichter ist, Geld zu bekommen, und die Bewertungen von Firmen höher sind. Hoerr ist geblieben. Er lebt mit Frau und Zwillingen in Tübingen.

Seit der Gründung hat Curevac mehr als 400 Millionen Euro eingesammelt. Auch die Stiftung von Melinda und Bill Gates gehört zu den Investoren. Das klingt nach viel Geld und potenten Investoren. "Wir brauchen Geld, um unseren Vorsprung zu halten", sagt Hoerr. Er sieht sich als Pionier und will vorne bleiben.

Sein Interesse für medizinische Biologie entwickelte er in Indien. Mit Mitte zwanzig war Hoerr dorthin gereist, um Krankheitsbilder wie Lepra zu studieren. Er sammelte Blutproben im Süden des Landes, die er binnen 24 Stunden an ein Institut in Frankfurt schicken musste. Aber die staatlichen Fluggesellschaften durften kein Blut transportieren. "Ich habe mich richtig in die Aufgabe verbissen", erzählte Hoerr. Er fand eine Fluggesellschaft, marschierte einfach hinein ins Büro des Chefs. Hoerr sagt, in Indien habe er gelernt: "Wenn man etwas wirklich will, neue Wege geht, gründlich nachdenkt, dann schafft man alles. Das fühlte sich verdammt gut an. Ich bin süchtig nach diesem Gefühl."

© SZ vom 17.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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