Profil:Giorgio Chiellini

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Giorgio Chiellini: Italienischer EM-Verteidiger und Held im Verborgenen. (Foto: Claudio Villa/Getty Images)

Italienischer EM-Verteidiger und Held im Verborgenen der Squadra Azzurra.

Von Birgit Schönau

Vieles kann man von Giorgio Chiellini behaupten - aber nicht, dass er Starqualitäten besitze. Nie hat sich eine Mannschaft um ihn gedreht, nie das Publikum für ihn geschmachtet, nie haben die Medien ihn umjubelt. Im großen Showbusiness des Fußballs sind andere für die Heldenrolle vorgesehen, nicht dieser immer etwas linkisch wirkende italienische Innenverteidiger. Ein Grobmotoriker und stiller Kämpfer, der austeilen, vor allem aber einstecken kann. Allesamt Qualitäten, die Chiellini geradezu stellvertretend für eine Squadra Azzurra verkörpert, die vor ihrem EM-Auftaktspiel gegen Belgien zu den Außenseitern des Turniers gerechnet wurde.

Ach, Italien! Ein Haufen müder, alter Männer. Doch dann schafften diese Italiener ein glattes 2:0 gegen die belgischen Turnierfavoriten - mit einer Leistung, die auf taktischer Disziplin, gnadenlosen Stürmern, vor allem aber einer unbeirrbaren Abwehr beruhte. Sozusagen Chiellini in Reinkultur. Der 31-Jährige ist auch exakt so alt wie das Team im Durchschnitt. Italien trat gegen Belgien mit der ältesten Startelf der EM-Historie an. Mit Spielern, über die sich wahrlich nicht behaupten lässt, dass sie langsamer wären als ihre jüngeren Gegner. Dafür aber sind sie abgeklärter.

Dass die Truppe des 46-jährigen Trainers Antonio Conte fußballerisch gesehen schon das meiste hinter sich hat, scheint sie regelrecht zu beflügeln - die Kraft der Erfahrung. Was das angeht, hat Chiellini eine Menge Höhen und Tiefen erlebt, ein Fußballerleben als Achterbahnfahrt. Mit Juventus Turin spielte er (nach Zwangsabstieg) ein Jahr in der zweiten Liga, ehe er zuletzt fünf Meistertitel in Serie gewann. Und als Nationalspieler verpasste der Verteidiger den WM-Titel 2006, nicht aber die beiden nachfolgenden Turniere, bei denen Italien jeweils schmachvoll nach der Vorrunde ausschied. Zuletzt, bei der WM 2014, wurde Chiellini zum Abschied noch herzhaft von Uruguays Sturm-Rowdy Luis Suárez in die Schulter gebissen - die Bilder gingen um die Welt. Italien war geschlagen und Chiellini wieder mal besonders.

Es sagt indes viel über das Opfer, dass er dem Beißer nicht nur schnell verzieh, sondern die Fifa-Sperre für Suárez als übertrieben bezeichnete. Im Eifer des Gefechts könne es halt passieren, dass sich ein Angreifer in den Gegner verbeiße, fand Chiellini, er kann eben einstecken. Und er rappelt sich immer wieder auf. Wie im EM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan: Italien siegte 2:1, Chiellini schoss alle drei Tore. Nach dem Führungstreffer machte er ein Eigentor, und dann brachte er die Angelegenheit selbst wieder in Ordnung.

Das ist nicht der Stoff für Fußball-Legenden. Aber Giorgio Chiellini, die bravste Nase des Weltfußballs, hatte nie den Ehrgeiz, ein Mythos zu werden. Lieber arbeitet er beharrlich für seine Ziele. Eines davon: der Master in Wirtschaftswissenschaften. Fleißig büffelt er auch in Frankreich, damit er nach der EM die letzten beiden Prüfungen ablegen kann. Belgien besiegen ist nichts dagegen.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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