Profil:Beyoncé

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Superstar des Pop-Gewerbes, mit einem Bein im Politik-Genre. (Foto: Evan Agostini/AP)

Superstar des Pop-Gewerbes, mit einem Bein im Politik-Genre.

Von Jens-Christian Rabe

Der Titel "Größter Popstar der Gegenwart" ist nicht geschützt. Meist geistern deshalb zu jedem beliebigen Zeitpunkt noch mehr "Größte Popstars der Gegenwart" auf dem Planeten herum als Boxweltmeister. Das wird seit Jahrzehnten gerne gegen den Pop verwendet und gegen das gewissenlose Geschäft mit der Aufmerksamkeit, das er betreibt. Zu Recht.

Die Frage ist schließlich immer, was genau denn einen Popkünstler zum GPdG macht: etwas konkret Messbares, wie der kommerzielle Erfolg; oder etwas ominös Subjektives, wie die Qualität des letzten Albums; oder Beeindruckendes wie die Zahl der Instagram-Follower; oder Zweifelhaftes wie die schiere Präsenz in den Boulevard-Medien?

All die immer wieder aufflackernde Skepsis sollte aber nicht blind machen, denn manchmal trifft es eben doch den Richtigen. Oder vielmehr: die Richtige, zum Beispiel die amerikanische Sängerin, Tänzerin und Entertainerin Beyoncé Giselle Knowles-Carter. In ihrer Funktion als Beyoncé wurden ihr am Sonntagabend in New York bei den MTV Video Music Awards für das Video zu ihrem Song "Formation" acht von 18 Preisen verliehen, das gab es noch nie. Nun mag MTV als Musiksender längst bedeutungslos sein, seine viel beachteten Preis-Shows sind aber nach wie vor zuverlässige Gradmesser für die Lage des Highscore-Pop.

Beyoncé ist damit quasi offiziell der GPdG. Für den Rest der Welt ist aber nicht nur erfreulich, dass sie einfach nur eine sehr erfolgreiche Sängerin ist und eine Ehrfurcht gebietende Performerin ihrer Kunst. Die 1981 in Houston, Texas geborene 34-Jährige ist nach ihren Anfängen in der Hochglanz-R'n'B-Girlgroup Destiny's Child in den Neunzigerjahren auch zu einem eminent politischen Star geworden. Beyoncé ist dabei keine dieser dampfplaudernden Charity-Stars, die penibel darauf achten, dass ihre Kunst frei bleibt von allzu viel Politik und damit maximal profitabel. Im Gegenteil. Sie ist eine Galionsfigur der eher unbequemen Black-Lives-Matter-Bewegung. Das nun vielfach prämierte "Formation", die Lead-Single ihres im April erschienenen jüngsten Albums "Lemonade", ist dafür das beste Beispiel.

"Formation" ist nicht nur ein brillanter, mitreißender Popsong, sondern auch Musik, die sich an die Grenzen des Pop herantraut. Teile sind fast schon ein Hörspiel. Vor allem aber sind Song und Video eine große, zornige Hymne an den Feminismus und die schwarze Selbstbehauptung im Allgemeinen und an die Selbstbehauptung der schwarzen Frau im Besonderen, ein Manifest. Bei den MTV Awards lief Beyoncé nicht allein auf den roten Teppich, sondern wurde begleitet von vier Müttern schwarzer Jugendlicher, die - obwohl selbst unbewaffnet - von Polizei oder Ordnungskräften erschossen wurden. Wirklich überrascht davon dürften nur die gewesen sein, die immer noch nicht verstanden haben, was einen großen Popstar heute ausmacht.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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