Profil:Albert Rivera

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Der spanische Umfragen-König ist nach der Wahl in Katerstimmung.

Von Sebastian Schoepp

Albert Rivera könnte eigentlich hochzufrieden sein. Er hat bei der spanischen Parlamentswahl ein hervorragendes Ergebnis geholt, 14 Prozent aus dem Stand - damit zieht seine neue liberale Partei Ciudadanos als viertstärkste Kraft in die Cortes, das spanische Unterhaus, ein. Doch leider hatten ihn wesentliche Teile der Madrider Hauptstadtpresse vorher schon zu einer Art Geheimfavoriten für das Amt des Regierungschefs ausgerufen. Das ging so weit, dass Rivera vor der Wahl sagte, er werde für niemand den Königsmacher geben. Wenigstens Oppositionsführer wollte er werden. Da sind 14 Prozent dann nicht so toll.

Nun herrscht bei den Ciudadanos eine Katerlaune, die nicht so recht zur guten spanischen Allgemeinstimmung vor der Wahl passen will. Rivera kann nun unmöglich den bisherigen Premier Mariano Rajoy unterstützen, obwohl er es, wie er sagt, vernünftig findet, dass der Anführer der stärksten Partei versucht, eine Regierung zu bilden. Das tut Rajoy, trotz eines desaströsen Wahlergebnisses, das seine Volkspartei von 44 auf 28 Prozent zusammenstutzte. Eigentlich wären Riveras liberale Ciudadanos der logische Partner für Rajoy gewesen, Rivera selbst wohl auch ein patenter Vize-Regierungschef. Aber zusammen haben sie nicht genug Sitze, und mit den separatistischen Splitterparteien können sie nicht zusammenarbeiten. Rivera ist die Hassfigur aller katalanischen Separatisten, ein Verräter in ihren Augen, denn er ist Katalane - und trotzdem ein glühender Gegner der Unabhängigkeit.

Diese Haltung hat den 36-Jährigen politisch groß gemacht. Rivera stammt aus Barcelona, seine Eltern hatten einen Elektroladen im früheren Arme-Leute-Viertel Barceloneta, das derzeit zur Air-Bnb-Touristenhochburg umgestaltet wird. Rivera hielt den Separatismus stets für unvernünftig, er gibt einem unabhängigen Katalonien keine Chance. Viele Spanier zollten ihm für diese mutige Haltung Respekt. Seine kleine katalanische Ciutadans-Zwergpartei baute er zur landesweiten Kraft auf. Riveras frischer, analytischer, aber auch aggressiver Stil in den Talkshows - vor allem in den Duellen mit Podemos-Chef Pablo Iglesias - machte ihn eine Zeitlang zum Umfragen-König. Aber da, wo Iglesias das Herz habe, sagen viele in Spanien, sitze bei Rivera ein Taschenrechner. In Deutschland würde er als kühler Kalkulierer vielleicht reüssieren. Spanier wählen im Zweifel lieber den Mann mit Herz - weshalb Iglesias seinen Newcomer-Rivalen abgehängt hat.

Dazu kommt, dass Rivera weltanschaulich stets verwaschen blieb. Rivera, so sagt einer, der ihn kennt, habe das Land führen wollen wie eine Firma. Jedoch: Liberale Eigenverantwortlichkeit predigen und gleichzeitig Sozialleistungen versprechen, diese Mischung überzeugte viele dann doch nicht. Riveras Klientel sind die, die noch Jobs und Autos haben. Doch das sind weniger als die, die unter der Krise leiden. Insofern ist Riveras mittelmäßiges Abschneiden auch eine Aussage darüber, wo Spanien steht.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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