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Neue Königin des Pop mit Hang zu Verweigerung und Eigensinn: Adele. (Foto: dpa)

Neue Königin des Pop mit Hang zu Verweigerung und Eigensinn.

Von David Pfeifer

Mit 27 Jahren ist Adele Laurie Blue Adkins trotz der etwas seltsam rückwärtsgewandten Ästhetik ihrer Lieder und ihrer Auftritte womöglich der modernste, sicher aber der größte Popstar der Welt. Sie hat etwa 40 Millionen Alben und 50 Millionen Singles verkauft. In acht Jahren brachte sie drei Hit-Alben heraus, gewann einen Oscar (für den Bond-Titelsong "Skyfall"), kurz darauf brachte sie ihren Sohn Angelo auf die Welt. In ähnlicher Dichte gelang das zuletzt Madonna. Dabei hat Adele sich erfolgreich einigen Mechanismen des modernen Popgeschäfts verweigert.

Sie produziert zum Beispiel keine viraltauglichen Intim-Bilder oder Skandale. Mit ihren Fans hält sie nicht per Social Media Kontakt, wie es bei heutigen Popstars wie Taylor Swift oder Miley Cyrus üblich ist. Adele verfügt zwar über einen Twitter-Account, nutzt diesen aber selten. "25", ihr Comeback-Album nach vier Jahren Pause, kündigte sie mit einem kurzen TV-Spot an. In der Werbepause zur zielgruppenaffinen Sendung "The X-Factor" erklang am 18. Oktober 2015 ein mattes Piano, dazu die erste Zeile ihres Überhits: "Hello, it's me. I was wondering if after all these years you'd like to meet." Das genügte, denn selbstverständlich wollten ihre Fans sie unbedingt wiedersehen.

Als Adele kurz nach der Ausstrahlung des Spots doch auf ihren Twitter-Account blickte, sah sie dort nur drei Tweets und fürchtete, sie habe ihr Comeback versemmelt. Simon Konecki, ihr Lebensgefährte und Vater ihres Sohnes, musste ihr erklären, dass diese Tweets tausendfach weitergeschickt worden waren. "Hello" verkaufte sich in der Woche nach seiner Veröffentlichung am 23. Oktober allein in den USA 1,1 Millionen Mal.

Dem Streaming-Dienst Spotify verweigert sich Adele, da sie der Meinung ist, dass den Künstlern zu wenig bleibt von dem Geld, das mit ihrer Arbeit verdient wird. Mit dieser Haltung ist sie nicht allein, aber doch in der Minderheit.

Dieses sympathische Anders-Sein folgt bei Adele allerdings einem Plan und guter Intuition. Denn im Pop kann die Verweigerung keine Haltung sein. Zwölftonmusik darf man im stillen Kämmerlein machen. Aber Pop ohne Publikum wäre ein Widerspruch in sich. Viel interessanter als das, was Adele verweigert, ist also das, was sie zulässt, um zu gefallen.

Als sie 2011 mit ihrem zweiten Album, "21", die Charts dominierte, wurde Adele angefragt, für das Cover der US-Ausgabe von Vogue zu posieren. Dass sie nicht über Modelmaße verfügte, war kein Hindernis: Prominente haben Models auf den Vogue-Covern abgelöst. Sie dürfen älter, kleiner oder dicker sein, man muss sie nur stylen können. Anna Wintour, die gefürchtete Vogue-Chefredakteurin, holte das Beste aus Adele heraus, reduzierte das balkenartig aufgetragene Augen- Make-up zu einem starken Lidstrich und steckte Adele in leichte, seidenweich fallende Kleider. Nach diesem Shooting sah Adele nicht mehr aus wie ein Castingshow-Stimmwunder ohne Sinn für Stil, sondern wie ein Filmstar aus den 1950er-Jahren. Bis heute ist sie diesem Look treu geblieben.

Ihre Lieder schreibt sie immer noch selbst. Mittlerweile aber bedient sie sich der besten Produzenten - eine Parallele zu Madonna in ihrer Hochphase. Auch wenn fast alle Adele-Lieder wie zeitlose Hymnen klingen, sitzen Männer wie Max Martin an den Reglern, der sonst Katy Perry oder The Weeknd produziert. Martin gilt als Zauberer, der für die Smartphone-Generation optimierte Chart-Kracher in Serie herstellen kann. Adele will sich anders anhören, aber die Andersartigkeit vertraut sie doch lieber Hit-Experten an.

Allerdings war sie nicht nur klug genug zu lernen, sondern auch so selbstbewusst, einige Dinge zu lassen, wie sie sind. Adele hat abgenommen, sich aber nicht heruntergehungert. Immer noch singt sie von Trennungsschmerz, obschon sie mittlerweile eine Familie hat und ganz normale Dinge macht, wie einkaufen zu gehen oder ein Museum zu besuchen. Und wer Adele singen hört, wohltönend und stark, in schulklassentauglichem Englisch, muss sich daran gewöhnen, dass ihre Herkunft aus Tottenham sehr deutlich durchklingt, wenn sie spricht. Ihr Dialekt hört sich mehr nach Fußballplatz an als nach Royal Albert Hall. Und wer ihre herzschmerzgetränkten Trennungslieder hört, wundert sich vielleicht, dass sie gerne Witze macht und über sich selbst laut lachen kann. Das wiederum ist ein großer Unterschied zu Madonna. Und noch etwas: Die alte Königin des Pop hat im vergangenen Jahr ebenfalls ein neues Album herausgebracht. Ordentlich beworben mit einem Musikvideo, in dem reichlich Gaststars auftauchten. Es hat nur kaum jemanden interessiert.

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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